Japan und der Kommunismus

Mein Eindruck war, dass Japan dem Kommunismus oder Kommunisten (共産主義者) gegenüber nicht gerade freundlich eingestellt ist. Und dennoch hatte ich einige Berührungspunkte damit könnte man sagen. Der erste war im Kumano-Ryo, dem Studentenwohnheim in dem ich in Kyoto gewohnt hatte. Es hatte nämlich den “schlechten” Ruf Kommunisten, “Menschen die Krawall machen zu beherbergen”, und dem muss ich vehement widersprechen. Die meisten Studierenden dort haben einfach nur extrem hart gearbeitet, weil ihre Eltern eben nicht so reich waren. Ich würde sogar so weit gehen, dass ich die Meisten als eher un- oder gar apolitisch bezeichnet hätte. Was ich dagegen beobachten durfte ist, dass sie selbstständiger sind als Gleichaltrige, etwas kritischer denkend, weltoffener, anspruchsloser und improvisationsfreudiger. Allerdings habe ich natürlich auch nur einen kleinen Teil der Bewohner kennen und schätzen gelernt, denn wie gesagt meistens haben sie einfach nur sehr hart gearbeitet, um das Studium zu finanzieren und gleichzeitig noch Bestnoten zu schreiben. Allerdings habe ich jene kennen gelernt, die von sich aus auf mich zugekommen sind, was natürlich schon von einer zusätzlichen Neugierde zeugt.

Meine Vorliebe für Abgrenzungen kommt wieder einmal zu Tage.

Der zweite Berührungspunkt war unerwarteter und ist auch der Grund, warum es hier nur stellvertretende Fotos von einem morgendlichen Ausflug mit Fabian gibt. Ich musste nämlich meine Aufenthaltsbewilligung erneuern. Das war nicht gerade einfach, denn eigentlich niemand im Immigrationsbüro sprach Englisch. Immer wieder musste ich hoffen, dass ich richtig verstanden habe und nicht aus sprachlicher Inkompetenz irgendeine Falschangabe gemacht habe. Danach habe ich mich gefragt, ob das in der Schweiz ähnlich ist, dass Beamte relativ schlecht Englisch sprechen. Mir würde das ja nicht auffallen. Und auch in Japan ist es mir vor allem im Kontrast dazu aufgefallen, dass Hausvermieter, Taxiunternehmen und andere Geschäfte, deren Kundschaft potenziell auch aus dem Ausland kommt, extra Ausländer anstellen, damit jemand perfekt Englisch spricht, jedoch nicht die Verwaltung.

Der Skytree durch ein paar Grashalme hindurch.

Wer Asterix kennt, kennt vielleicht die Szene wo sie von einem Schalter zum nächsten gejagt werden und genau so ging es mir auch auf dem Immigrationsbüro (dieses Bild habe ich irgendwie auch von der ehemaligen Sowjetunion im Kopf). Irgendwie war ich amüsiert. Vor allem als ich gemerkt habe, dass ich sowieso nichts ändern kann, sondern einfach den ganzen Tag mit Warten und zu verschiedenen Schaltern gehen verbringen werde. Ein Tag reichte allerdings nicht aus, denn ich hatte die falschen Dokumente.

5 Uhr morgens in Tokyo.

Damit wurde die Zeit langsam knapp dachte ich. Aber ich habe einen Stempel auf der Rückseite meiner Residence Card erhalten und wenn ich die Erklärung richtig verstanden habe, so erlaubte mir dieser Stempel meinen Aufenthalt um drei Monate zu verlängern. Ich versuchte als ruhig zu bleiben und vertraute darauf, dass ich richtig verstanden hatte. So richtig ruhig wurde ich allerdings erst, als ich damit auf dem Kreisbüro registrieren konnte und die extrem hilfsbereite Dame sogleich zu verstehen gab, dass das ok ist.

Der Skytree. Eines der Wahrzeichen von Tokyo and dem ich mehrmals pro Woche vorbei laufe.

Damit zog ich in eine WG in Asakusabashi ein. Mit einer Japanerin (Namiko) und zwei Japanern (Ushi und Kitaken). Alle drei sind sehr spannend und cool. Und wieder einmal hatte ich ein riesiges Glück, denn Rise (meine Mitbewohnerin aus dem Kumano Ryo in Kyoto) hat mir diese WG vermittelt. Denn in Japan sind WGs meist nicht öffentlich ausgeschrieben. Es gibt schon shared houses, aber das ist eher so Studentenwohnheim mit einer unendlich langen Liste an Regeln wie z.B. kein Besuch auf dem Zimmer. Damit war dieses Thema shared house dann für mich auch schon abgehakt gewesen. Also ich hätte es als Übergangslösung in Erwägung gezogen so lange sowieso niemand aus der Schweiz einreisen kann, aber es wäre für mich undenkbar gewesen, wenn ich niemanden zu mir einladen kann. Wobei das oft auch in Studios verboten ist. Wie war das: andere Länder andere Sitten. Ja, da erkennt man dann schon den europäischen Individualismus in mir. Wie es wohl die Japaner sehen würden.

Und noch ein letztes Sonnenaufgangsbild, damit es sich wenigstens gelohnt hat so früh aufzustehen. 😉
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Das Hin und Her

Kann ich gehen oder nicht? Das frage ich mich in den letzten Monaten immer und immer wieder. Es war ein Auf- und Ab. Eigentlich mag ich Ungewissheit, aber das war ein bisschen zu viel davon. Vielleicht würde ich in einer Woche gehen können – unwahrscheinlich – vielleicht in einem Jahr. Immer wieder die Fallzahlen anschauen. Danach den Kopf schütteln. Wenn der Winter kommt, kann ich nicht mehr gehen. Das war klar. Können wir uns nicht ein bisschen zusammenreissen? Aber ich konnte es auch verstehen, nicht jede Person wartete darauf in ein anderes Land einreisen zu können und das Leben musste ja irgendwie weiter gehen. Trotzdem war es nervenaufreibend. Immer dieses Wechselbad der Gefühle. Sollte ich jetzt nach einer Zwischenlösung zum Arbeiten in der Schweiz schauen oder kann ich Anfang Oktober reisen? Denn über den ganzen Sommer war Japan für Menschen ohne japanischen Pass komplett dicht und auch jetzt waren die Angaben auf der offiziellen Seite nicht eindeutig.

Noch ein letzter Eindruck der Schweiz vor der Abreise. Ein wunderschöner Tag am Lai da Rims im Münstertal.

Und da plötzlich der Lichtblick. Ein Anruf bei der Botschaft ergab, dass ich ziemlich sicher reisen kann. Ich muss bloss noch vorbei kommen, um eine Wiedereinreisegenehmigung zu erhalten. Wann es so einfach sein? Nein, ganz so einfach war es nicht. Es musste noch ein negativer Covid-test her, der maximal 72 Stunden vor Abflug genommen wurde. 72 Stunde vor Montag 22:40 Uhr… Ja toll. Im Triemli ging es trotzdem. Dann musste der japanische Professor der vorzeitigen Einreise noch zustimmen.

Fast wie in der Wüste. Abstieg vom Piz Umbrail Richtung Lai da Rims.

Ich bin früh am Flughafen, so früh wie selten. Aber dieses Mal ist es keine Reise, dieses Mal werde ich zwei Jahre in einem fernen Land leben. Als ich einchecken möchte heisst es gleich «Noch checken wir gar nichts ein. Zeigen sie mir erst, dass sie auch berechtigt sind in Japan einzureisen.» Ich zeige meine Residence Card. Sie ist zufrieden. Wars doch einfacher als gedacht? Nicht zu früh freuen, ich glaube erst dass ich einreisen kann, wenn ich in Japan durch die Passkontrolle bin. Es ist schon seltsam, wenn man bis zum Morgen des Abflugs nicht einmal weiss, ob man überhaupt reisen kann. Vorfreude kann sich da nur schwer einstellen, aber alles war so überstürzt, dass ich sowieso keine Zeit dafür gefunden hätte. Ab dem Moment, als die Japanische Botschaft grünes Licht gegeben hatte, tat ich aber alles um abreisen zu können , denn ich wusste das ist mehr oder weniger meine einzige Chance für vielleicht das nächste halbe Jahr. Sprich es musste einfach alles (Wohnung räumen, Umzug, Packen, Wiedereinreisegenehmigung in Bern beantragen, Covidtest, Wohnsitz ummelden, Versicherungen ändern,… und dann kam noch ein Zusatzantrag für meine Finanzierung des Postdocs dazu) in den sieben Tagen, die mir blieben passieren.

Das leere Flugzeug. Wir waren wohl insgesamt ein Dutzend Passagiere.

LX160, 22:40 Uhr nach Tokyo, der einzige Flug auf der Anzeigetafel. Der Flughafen ist komplett ausgestorben. Nicht einmal Personal, kein Laden geöffnet, also keine oder nur sehr wenige Mitbringsel. Ich laufe erst komplett falsch, kein Mensch nirgendwo, nicht einmal jemand, den ich fragen könnte. Der Trinkwasserhahn ist abgeklebt und dann finde ich die paar Leute, die auf den Flug warten. Alles Japanerinnen und Japaner. Der Angestellte der Swiss mustert mich skeptisch. «Haben Sie einen Japanischen Pass?» Ich verneine. «Na dann zeigen Sie mal was sie haben.» Meint er nicht sonderlich freundlich. Ich ziehe erst die Wiedereinreiseerlaubnis der Japanischen Botschaft heraus. Das reicht nicht. Die Residence Card, reicht auch nicht, den negativen Covid-test, sieht schon besser aus, doch er sucht noch immer weiter bis er in meinem Pass das Reentry Permit findet. Das hat man nur noch erhalten, wenn man vor Mitte März (ungefähr) aus Japan ausgereist ist. Danach musste man anscheinend bei der Ausreise unterscheiben, dass man von seinem Wiedereintritt nach Japan keinen Gebrauch machen würden. Er fragt mich nochmals wann ich Japan verlassen hatte und als ich mit 26. Februar antwortete, nickte er zufrieden und erklärte, dass sie eine sehr hohe Strafe bezahlen müssen, wenn sie jemanden nach Japan befördern, der nicht alle Anforderungen erfüllt. Ich verstehe also all die Fragen.

Mein Quarantäneunterkunft. Zum Glück war ich in guter Gesellschaft (in der Kiste ist nämlich mein Velo und während ich ausharre, freue ich mich Pläne für die Fahrt damit nach Kyoto zu schmieden.

Ich fühle mich irgendwie fehl am Platz und noch schlimmer macht es, dass ich schon den ganzen Tag eine leicht fiebrige Gesichtshaus hatte. Die Temperaturmessung ergab aber, dass meine Körpertemperatur komplett normal war. Zum Glück, dennoch wurde ich wieder nervös. Wenn ich jetzt doch Fieber habe? Aber dann kam zu meiner «Erleichterung» auch noch ein Hautausschlag dazu und ein Ausschlag in der Armbeuge. Ich schien also nur auf die Maske allergisch zu reagieren. Phu! Nach all den Verabschiedungen und dem doch nie ganz wissen, ob es denn wirklich für zwei Jahre ist oder nicht, lagen meine Nerven echt langsam ein bisschen blank.

Wir stiegen ein. Dieser Flug würde wohl meinen Ökologischen Fussabdruck für den Rest meines Lebens ruinieren. So viel Besatzung wie Passagiere. Der Service ist ausgezeichnet und ich erhalte eine andere Maske, dann atme ich das erste Mal auf. Kann es sein, dass ich wirklich gehen kann? Die Crew ist unglaublich nett, entspannt und berichtet mir sogar, dass mein Velo also jetzt verladen worden ist. Man schien mir wohl angesehen zu haben, dass ich diejenige mit dem Velo sein musste.

Und natürlich wichtig, das WC. Wobei ich ja vor allem Freude an der Badewanne habe.

Der Flug verlief vollkommen ereignislos. Ich schlief einfach durch. Wir waren auch im ganzen hinteren Teil des Flugzeugs nur zwei Personen, es wäre also ein echtes Kunststück gewesen uns Gegenseitig zu wecken. Allerdings war es richtig kalt. Nur nicht krank werden, war zu meinem Mantra geworden.

Irgendwann halte ich es nicht mehr aus in der kleinen Wohnung. Mir fällt die Decke auf den Kopf und ich muss mich bewegen. Es hiess, dass ich mit Maske raus darf z.B. um einzukaufen, also beginne ich zwischen 2 und 3 Uhr morgens Spaziergänge an den nahe gelegenen Fluss zu unternehmen. Tokyo ist komplett ruhig und ausgestorben zu dieser Uhrzeit. Ich geniesse es.

Und dann landeten wir. Hier warteten mehre Personen auf mich, den letzten Gast. Ich war noch komplett verschlafen und stapfte in Richtung des nächsten Covid-tests, noch immer ein flaues Gefühl im Magen. Aber abgesehen davon, dass es gar nicht so einfach ist 1 cl Spucke auf Knopfdruck zu produzieren, waren alle unglaublich höflich, nett, zuvorkommend und das Testresultat war innerhalb von weniger als einer Stunde da. Ich musste nicht einmal etwas dafür bezahlen und nachdem ich brav meine Adresse vorweisen konnte, an der ich die Quarantäne verbringen werde (vorher zu buchen ist sonst ja nicht so mein Ding), haben sie mir auch ein Blatt gegeben mit allen Covid-Taxis, denn weder öffentlichen Verkehr, noch normale Taxis hätte ich verwenden dürfen. Ich bin ja sowieso schon sehr korrekt, aber ich weiss auch genau, dass mit solchen Dingen ganz besonders in Japan nicht zu spassen ist. Dennoch tun die 30’000 Yen (ca. 300 CHF) fürs Taxi schon ein bisschen weh. Gerade für eine Person wie mich, die bekannt dafür ist, dass sie lieber 5 Stunden läuft, als ein Taxi zu verwenden. Aber es ist wiederum so herrlich ironisch, dass es mich irgendwie auch amüsiert.

Endlich finde ich einen Onigirishop in der Nähe, wo ich Essen finde, das auch wirklich schmeckt.

So erreiche ich also meine Quarantänestation, die ich mit dem Karton meines Velos teile. Ich bin also nicht alleine. Wir arrangieren uns hier wunderbar. Ab dem zweiten Tag habe ich sogar wifi (hüstel) und ich darf mit Maske auch raus zum einkaufen, meine Versorgung ist also gesichert und Langeweile war noch nie mein Problem. Eigentlich muss ich sagen ist diese Quarantäne sogar ganz gemütlich. Einfach mal ein bisschen runterfahren, planen, Wohnung suchen, Pendenzen erledigen, zu Unzeiten schlafen und manchmal mitten in der Nach ein kurzer Spaziergang, wenn ich es in den vier Wänden nicht mehr aushalte. Ich habe sogar eine kleine Küche inklusive Mikrowelle (ich verwende zum ersten Mal in meinem Leben so ein Ding), Backofen, Kühlschrank und einer Herdplatte.

Dennoch Kochutensilieren fehlen mir. Sprich ich lebe tatsächlich gerade von Fertigprodukten wie Gurken, Karroten, Edamame, vorgekochtem Reis und Natto (vergährten Sojabohnen).

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Der schlafende Mann am Baum

Gestern lief ich vom Sento (öffentliches Bad) nach Hause und ich beobachtete eine Szene, die so typisch für Japan ist, dass ich nicht einmal überrascht war. Ein Mann lehnte an einem Baum. Ein zweiter Blick zeigte, dass er zwischen Baum und Leitplanke der Strasse eingeklemmt im Stehen schlief. Aber nein nicht etwas ein im klassischen Bild verwahrloster Mann, sondern tadellos im Anzug gekleidet, Haare frisch gewaschen und frisiert, schlief er einfach. Am Boden zu schlafen ginge gar nicht, aber im Stehen, ja da wahrt man Haltung. Ich widerstand der Versuchung ein Foto zu machen oder ihn genauer zu mustern.

“Typisch” Japanischer Schrottplatz. Ich sage typisch weil bunt.

Ich möchte hier jetzt nichts interpretieren, sondern eher auf eine weitere Diskussion eingehen, die ich gestern hatte und zwar darüber, dass Väter bei der Geburt oft nicht anwesend sind. Die junge Generation sagt auf solche Fragen immer «but it is changing». Es tut sich etwas.

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Der Unterschied zwischen dem Reisen und im Ausland leben

Schon seit einiger Zeit habe ich eine etwas zwispältige Sicht aufs Reisen gewonnen. Das haben viele Reisende, die sehr lange unterwegs waren und, denn irgendwann kommt der Gedanke, dass Reisen nur eine Illusion, eine Traumwelt ist, die gar nichts, aber auch gar nichts mit der Wirklichkeit zu tun hat. Man schwebt selber auf einer Wolke und die Leute um einen herum bestärken einen darin. Das heisst nicht, dass dieser Traumzustand, diese verheissungsvolle Lüge nicht wunderschön sein kann, aber wenn ich etwas über das richtige Leben erfahren möchte, dann muss ich an einem Ort wohnen, einen Alltag entwickeln, wie damals in Indien oder in Deutschland. Drei Monate reichen dazu natürlich nicht und mein Japanisch ist leider noch immer ungenügend, um alle Fassetten eines Landes zu erfassen, dennoch versuche ich ein paar Unterschiede zwischen Reisen und Wohnen aufzuzeigen.

Trotz längerem Aufenthalt ist es mein Ziel zwei Sehenswürdigkeiten pro Woche zu sehen. Hier der Blick auf einen von einer Vielzahl (es gibt wirklich an jeder Ecke welche) von Tempeln.

Für ein Wochenende ging es auf nach Matsuyama, ich schulterte meinen Rucksack und war in keinster Weise von einer Backpackerin zu unterscheiden, mit der Aufnahme, dass ich eine Präsentation im Gepäck hatte und die Uni mein Ziel war. Plötzlich waren sie überall. Die Komplimente, die in der nähe der Kyodai (Kyoto University) niemals fallen. Ein einziges Wort auf Japanisch reicht, um Entzücken hervor zu rufen. Es ist als wäre man ein kleines Kind, das gerade sein erstes Wort gesagt hat. Ja, genau das ist es. Da kommt augenblicklich die Frage auf. «Nehmen einen die Japaner einfach nicht Ernst und sind darum begeistert wegen jedem Gacks, den man macht?» Nadine (ebenfalls eine Austauschstudentin aus der Schweiz) hat das schön ausgedrückt. Wir sind funktionierende Analphabeten in diesem Land. Man muss und für leicht bescheuert halten, was die Japaner einem natürlich nie direkt ins Gesicht sagen würden. Aber die Komplimente haben manchmal einen gewissen solchen Nachhall.

Auf einem Spaziergang durch Mandarinenheine in Matsuyama. Für einmal sind Nadine und ich ganz alleine.

Das bringt mich zu einer weiteren Beobachtung. Ich habe den Eindruck, dass viele westlichen Menschen, die nicht gerade über ein grosses Selbstvertrauen verfügen japanbegeistert sind. In Japan kommen sie voll auf ihre Kosten mit Komplimenten. Wie komme ich darauf? Unter anderem Selbstbeobachtung? Dieses Mal ist es aber wie gesagt anders. In Kyoto passiert mir das sozusagen nicht, denn ich bewege mich nicht in Touristenkreisen. Stattdessen hatte ich einen harten Start im öffentlichen Bad, wo ich am Anfang eher geduldet wurde. Meine langen Haare haben fast Panik ausgelöst. Wehe es fällt eines ins Wasser. Wenn sie nicht weiss, wie sie sich zu benehmen hat? Stand der Dame nur zu deutlich ins Gesicht geschrieben. Inzwischen, werde ich jedoch herzlich begrüsst und ich gehe zweimal pro Woche dorthin. Aber das war Arbeit.

Einen Sinn für Ästhetik haben sie zweifellos die Japaner. Wie immer ist diese Komposition wohl kaum ein Zufall.

Japaner sind untereinander zudem ziemlich hart. Es fallen extrem wenige Komplimente. Gerade auch von seiten der Professoren. Wobei mein direkter Professor da mal wieder eine gute Ausnahme ist. Sprich wieder die Frage, warum dann die Touristen immer so mit Komplimenten überhäufen?

Garten mitten in Kyoto.

Ein weiterer Aspekt, den ich den JapanerInnnen unterstelle ist, dass sie zwar kein so grosses persönliches Ego haben, wie wir Westler, aber als Nation haben sie ein ziemlich grosses Ego. Es schwingt schon ein bisschen mit, das Japan eine wichtige Kultur ist. Eine Grand Nation halt.

Machine zur Herstellung von Süssigkeiten. Danach werden sie aber noch von Hand poliert.

Ein weiteres interessantes Element in Japan ist wie unglaubliche Organisation und komplettes Chaos koexistieren. Einerseits ist Japan so effizient, wenn die Dinge klar geregelt sind, fehlt aber eine Regel, bricht das Chaos aus (leicht übertrieben). Aber dennoch, konnte ich eine überraschende Hilflosigkeit beobachten. Auch wenn es keine Hierarchie gibt.

Uh und dann gabs im Labor als erstes “Fondue”… ähm ja. Der Kommentar zu meiner Meinung dazu war. “Uh das war ehrlich.”
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“Ah Professor”

Ein Traum wurde wahr. Ich wollte immer einmal in Japan leben und jetzt bin ich hier. Ich kanns kaum glauben, für 3 Monate an der Kyoto University (Kyodai) und dann noch ein paar Wochen Ferien. Wenn ich schon hier bin.

Zwei Jahreszeiten in einem Busch.

Bei der Einreise habe ich mich natürlich gleich in die falsche Schlange gestellt. Ich habe nämlich ein Arbeitsvisum und kein Touristenvisum. Jetzt muss ich noch erwähnen, dass das Visum für «professor» ausgestellt ist. Das ist bei allen JSPS Stipendiaten so, wie es scheint. Auf jeden Fall, wurde ich da einfach immer in eine Richtung geschickt und fragte alle paar Meter wieder jemanden, bis sich ein Beamter mein Visum genau angeschaut hat und überrascht meinte «ah professor». Dann konnte ich natürlich nicht mehr alleine weiter gehen, sondern wurde begleitet und unglaublich höflich und zuvorkommend behandelt (also noch viel mehr, als das die Japaner sowieso meist tun). Ich grinste innerlich und hütete mich davor den Irrtum aufzudecken. Für einmal hatte die Japanische Hierarchie ihre Vorteile für mich.

Crêpes-session im Ramenrestaurant (gefüllt mit Nudeln, was sonst).

Frei nach dem Motto, no risk no fun, stürzte ich mich also ins Abenteuer. Ohne vorher zu wissen, wo ich die nächsten Monate in Kyoto unterkommen würde. Natürlich ist das bei mir beim Reisen normal, aber dieses Mal bin ich nicht nur zum Spass unterwegs, sondern weil ich ein Stipendium vom JSPS – Japan Society for the promotion of science – serhalten habe, um für einen Austausch von drei Monaten an die Kyodai (die Kyoto Universität) zu kommen.

Besuch in der Kehrichtverbrennungsanlage. Kawaii(auf Japanisch ist das süss, niedlich)-Kultur halt.

Seis drum die Situation, dass ich nicht wusste, wo ich unterkommen werde kam daher, dass ich mich «weigerte» in einem internationalen Haus unterbringen zu lassen, denn wenn ich schon hier bin, dann möchte ich maximale Exposition zur japanischen Kultur geniessen. Essen, Sprache, Menschen,… Dazu musste ich aber ein bisschen flunkern, als ich gefragt wurde, ob ich nun eine Unterkunft habe, denn eigentlich hatte ich keine. Ein Couchsurfer, der mich auf vielleicht gestellt hatte und dann der Plan in ein Hostel zu gehen, bis sich irgendetwas nach meinem Geschmack ergibt. Dahingehend war es auch wieder korrekt, auf der Strasse würde ich nie stehen müssen. Und man hat schon einen riesen Vorteil wenn man aus der Schweiz kommt und keine Angst haben muss bezüglich Geld ruiniert zu sein.

Herbstblätter überall und hier besonders “japanisch” in der Erscheinung.

Das mit dem Couchsurfer ging auf. Als erstes bin ich bei Minorusan und seiner Familie in einem veganen Ramenrestaurant wunderbar unter gekommen. Ich schlafe ab 23:30 Uhr wenn das Restaurant geschlossen hat auf dem Tatamiboden im Restaurant auf 6 Kissen, schiebe am morgen alles zur Seite, packe meine sieben Sachen und verstaue sie auf der Treppe zum zweiten Stock (eine unglaublich gute Übung für mich, um Ordnung zu halten und es klappt erstaunlich gut). Am Morgen bekomme ich Frühstück, wasche ab, gehe zur Uni, bleibe da abwechslungsweise bis früh (wenn ich von 18-22:30 Uhr) im Ramenrestaurant Schicht habe oder bis spät (wenn ich keine Schicht habe), um für die verlorenen Stunden am Vortag zu kompensieren und nicht dumm im Restaurant herum zu stehen, bis ich ins Bett kann. Danach helfe ich beim Abwaschen und gehe direkt schlafen.

Besuch einer geführten Tour in den Imperial Garden. Man wird schon fast hindurchgetrieben. Auf keinen Fall irgendwo stehen bleiben und einfach geniessen. Dabei wäre es so schön.

Das einzige Problem ist, dass es gar nicht so einfach ist ein Jetlag zu überwinden, wenn man so ein Tagesprogramm hat. Aber irgendwie ging es. Und nach drei Wochen und fünf mal umziehen, hatte ich nun auch eine Unterkunft gefunden und was für eine: Und zwar bin ich im selbstverwaltete Studentenwohnheim, dem Kumano-Ryo. Wobei ich riesiges Glück hatte, dass sich Rise (eine Studentin aus unserem Labor) für mich eingesetzt hat, denn normaler Weise darf da niemand bleiben, der nicht Japanisch kann. Wäre ich nicht einfach nach Japan gereist hätte das entsprechend niemals geklappt. Mein Zwecksoptimismus bewährt sich manchmal also auch, denn das Studentenwohnheim ist genau  nach meinem Geschmack: Wenig Komfort (so um die 4 Grad schätze ich im Zimmer, nur eiskaltes Wasser ausser in der Dusche, ziemlich chaotisch, viele drehen wohl gleich auf dem Absatz um, wenn sie das sehen), extrem coole Leute zum Diskutieren, entspannte Stimmung und relativ viel Platz für Japanische Verhältnisse. Wobei wir vor allem viel Platz haben weil Rise und ich nur zu zweit im Zimmer sind, statt zu viert. Ich fühle mich also schon sehr heimisch und lerne gerade eine ganz neue Seite von Japan kennen.

Eingang zu meinem ersten zu Hause hier in Japan. Dem Ramenrestaurant.

Abgesehen davon: Die Gruppe ist wundervoll. Sowohl der Professor, als auch alle Doktorierenden, sowie die Postdoktorandin sind extrem herzlich und ich fühle mich richtig willkommen. Momentan sind leider gerade alle ausser mir in Südostasien für Feldversuche verstreut. Sprich, es ist ein bisschen einsam im Büro. Dafür konnte ich nach herzenslust Arbeiten und habe heute ein Manuskript fertig stellen. Als Belohnung gehts jetzt ins öffentliche Bad.

Unser Zimmer. Mein Bett ist oben.

Zusatz: Um fair zu sein, sollte ich noch erwähnen, dass die Kälte in unserem Zimmer temporär war und komplett selbstverschuldet, da ich mich in der Villa-Durchzug einfach weigere eine Heizung zu verwenden. Da dies nur Energieverschwendung ist. Stattdessen reicht eine Bettflasche. Und ich habe herausgefunden, dass es ein Stockwerk höher in der Küche warmes Wasser geben soll. Ich taste mich langsam an ein konfortables Leben heran.

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Der Ort, wo wir noch exotisch waren

(Fotos folgen)

Ich mag abgelegene Orte. Da, wo sich die Kulturen noch am Meisten unterscheiden, da wo ich zur Ruhe komme. Sebastia versprach ein solcher Ort zu sein. Nico lockte ich in die Gegend weil es neben Nablus (in Palästina) lag, aber mein Ziel war Nisf Jubail. Dort gibt es das Mosaik Guesthouse. Ich hatte einen Prospekt davon in Jericho gesehen und wusste genau, dass ich da unbedingt hin möchte. Alte Handwerke (Töpfern, Seifen herstellen und Mosaik) werden hier noch in traditioneller Form betrieben und Frauen gefördert, die dieses ausüben. Auch die Schweiz unterstützt das Projekt. Zumindest stand auf dem Prospekt Lugano drauf, aber eigentlich hatte ich einfach das Foto eines der Zimmer gesehen.

Allerdings hatte ich keine Ahnung wie wir es überhaupt nach Nisf Jubail schaffen würden und es gab keine Adresse für das Guesthouse. Ein guter Anfang. Also wählte ich Sebastia. Sebastia ist in gewissen Reiseführern sogar drin und das Guesthouse hat dort gehört zum gleichen Projekt. Ihr könnt euch bestimmt vorstellen, wie ich mich gefreut habe, als die Antwort kam, dass dieses allerdings ausgebucht ist und wir nach Nisf Jubail gehen müssten. Mit einer ungefähren Beschreibung wie wir dort hinfinden und ohne irgendeine Angabe wo genau in dem Dorf das Guesthouse liegt, machten wir uns also auf den Weg. Einmal mehr ein kleines Abenteuer, das uns durch Olivenheine führte und an einen Ort, wo uns der Bus am Strassenrand zurück liess. Hier mussten wir keine Angst haben über den Tisch gezogen zu werden, denn es verschlägt nicht viele Touristen hierher. Schon gar nicht mit öffentlichen Verkehrsmitteln.

Der einzige Laden konnte uns dann auch gleich an die Person verweisen, die für das Guesthouse zuständig war. Ob er da gewartet hat oder per Zufall dort war, wissen wir nicht, denn sein Englisch war nicht sonderlich gut. Aber kurze Zeit später waren wir in einem Zimmer, das wie eine Höhle und eine Ausgrabungsstätte zugleich war. Noch schöner als auf dem Foto.

Kurze Zeit später kam Nico. Hej, da sind zwei Frauen in der Küche. Nun gab es natürlich kein Halten mehr für mich. Ich zückte Notizbuch und Stift und machte mich auf in die Küche. Dort waren zwei ältere Frauen für uns und die Gruppe, die sich in Sebastia aufhielt am Kochen. Zu zweit ist leider immer schlecht, dann schämen sie sich viel mehr sich mit mir zu unterhalten versuchen.

Dennoch irgendwann schaffte ich es das Eis zu brechen. Ich fragte sie nach ihrer Familie und sie fragten mich nach der meinen. Nach gut einer Viertelstunde hatte ich oft genug wiederholt, dass ich mithelfen möchte, sodass ich Köfte formen durfte. Für die nächsten drei Stunden war ich dann beschäftigt. Wir kochten ein unglaublich leckeres Essen zusammen und ich bestellte gleich für den nächsten Tag wieder ein Abendessen.

Aber erst war noch ein Tag in und um Nisf Jubeil angesagt. Wir liefen durch Olivenhaine nach Sebastia, besuchten das andere Mosaik Guesthouse und die Moschee dort, die zugleich das Grab eines Heiligen war und wo eine Frau sass, die uns sehr kompetent und freudig über die Ausgrabungen in Sebastia aufklärte.

Daneben gab es Händler, die relativ aufdringlich waren und irgendwo im Nirgendwo trafen wir ein paar betrunkene junge Menschen, die kein Wort Englisch sprachen, uns aber dennoch darüber ausfragten, warum wir keine Kinder hätten und an wem es denn läge. Wir lehnten aber dankend ab mit ihnen noch an einen anderen Ort zu fahren oder gar mit zu trinken, denn so ganz wohl war uns dabei beiden nicht.

Stattdessen kehrte ich wieder in die Küche von Fatin zurück und verbrachte dort den ganzen Abend. Sie liess mich alles Mögliche degustieren und ihre Tochter übersetzte das Nötigste. Ich fühlte mich wohl und zu Hause. Schade, dass wir danach weiter ziehen mussten. Hier wäre ich problemlos noch ein paar Wochen geblieben.

Das Essen war nämlich vorzüglich, was natürlich an Fatins Kochkünsten lag, aber auch an den hervorragenden Zutaten. Das war schon im Iran so. Kann es sein, dass die guten Sachen einfach immer exportiert werden und daher zumindest der Gaumen von lokalen Konsumentinnen davon profitiert, wenn es Einschränkungen beim Export gibt?

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Bethlehem

Bethlehem kam bei uns als Kinder in einem Weihnachtstheater vor in dem wir gespielt hatten. Es dann zu sehen war schon speziell. Und eigentlich geht es ganz einfach. Zum Damaskustor in Jerusalem laufen, den Bus Nummer 231 besteigen und sehr lange einer Mauer entlang fahren, denn Bethlehem ist im Westjordanland.

Die ganze Wand vollgeschrieben in der Kirche, wo Maria begraben liegt. Schon interessant. Die Unterschiede zwischen den drei verschiedenen Religionen und dem Verhalten ihrer AnhängerInnen.

Wir besuchen also die Kirche, wo Maria begraben liegt und dann werden wir von Schwester Stefanie abgeholt, denn sie ist auch der Grund, warum wir überhaupt hier sind, denn wir hatten ihr versprochen, als sie uns beim Autostop mitgenommen hat, dass wir sie besuchen werden. Und sie schien überrascht, denn viele versprachen, dass sie zu Besuch kommen und wenige tun es wirklich. Es tat gut ein Versprechen einzuhalten und bei dieser Gelegenheit konnten wir auch noch die Werke von Banksy anschauen gehen. Denn diese zieren die andere Seite der Mauer und Wachtürme.

Die bemalte und beschriftete Mauer von der Seite des Westjordanlands.

Stefanie kümmert sich um Kinder aus schwierigen Familienverhälnissen und auch wenn ich missionieren gegenüber sehr kritisch eingestellt bin, so habe ich vollstes Vertrauen in die unglaublich herzliche, direkte Frau. Als zwei der Kinder sich prügeln wollen, liegt sie einfach ihren kraftvollen Arm um den Jungen und umarmt ihn damit zur gleichen Zeit, wie sieh ihn festhält. Die Kombination einer Handlung, so sanft und nett und dennoch sehr bestimmt eine Grenze aufzeigend und ruhig.

Banksys Taube, irgendwo unscheinbar an einer Wand.

Der Junge beruhigt sich sogleich und sie erzählt von verschiedenen Geschichten. Sie ist schon lange hier und viele der Kinder kommen auch zurück, nachdem sie schon erwachsen sind. In meinen Augen ein gutes  Zeichen.  Wir essen Pfannkuchen und ziehen dann langsam wieder los, zurück nach Jerusalem, um von dort weiter nach Nifs Jubeil zu gehen.

Kaffeekanne in Bethlehem.
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Jerusalem zum zweiten: Der nicht-christliche Teil

Das zweite Mal Jerusalem war anders. In einem Hostel, statt bei jemandem zu Hause. Aber was für ein Hostel. Ganz neu und hier hatte sich jemand wirklich etwas überlegt. Allgemein muss man den Israelis eins gutheissen. Sie wissen wirklich was Backpacken ist. Und entsprechend sind auch ihre Hostels ausgestattet.

Stuhl.

Wir besuchten also einige Orte an denen ich schon war wie den Tempelberg.

Die Klagemauer: Links sind die Männer, rechts die Frauen und über den Steg dürfen Reisende, wie wir zum Tempelberg hoch (zu ganz bestimmten Tageszeiten).
Das eigentliche Heiligtum auf dem Tempelberg, wo wir vollkommen unbehelligt herum spazieren konnten.

Und nochmals weils so schön ist. Wobei man sagen muss, dass hier auch mal eine Kirche stand. Heute ist es aber eine Moschee und nicht-musliminnen wie ich dürfen nicht ins innere dieser Moschee. Aber ich habe mich ganz heimlich reingeschlichen. Nicht indem ich physisch hinein gegangen bin, sondern weil ich eine sehr nette muslimische Engländerin getroffen habe und sie danach fragte. Und sie schilderte mir die Formen und Farben und ich stellte es mir vor und genoss den kleinen Ausflug.

Kennengelernt habe ich die Engländerin, als sie wollte, dass ich ein Foto von ihr hier drunter mache. Sie hat mir dann den Gefallen erwidert.

Danach wandelten wir durch den Olivenhain. Einige der Bäume hatten wohl noch die christliche Zeit hier gesehen. Sie trotzten allen Religionen. Und dann passieren einige Juden, umzingelt von Soldaten mit Maschinengewehren. Sie steigen nicht zum höchsten Punkt hinauf, doch laufen sie hindurch.

Israelmuseum weils von Meia Sharim keine Fotos gibt.

Das glich irgendwie unserem Besuch in Meia Sharim. Das ist das Quartier der Ultraortodoxen. Ich muss es euch beschreiben, denn Bilder gibt es keine. Ich habe es nicht gewagt und das war gewiss besser so. Denn am Eingang war ein riesen Plakat, das Besucher bat umzudrehen, wenn sie nicht die angemessene Kleidung trugen. Mit dem Unterton, dass nicht nur die Kleidung das Problem ist, sondern schon alleine deren Anwesenheit. Ich wollte nicht hinein, Nico doch. Nico fragte also eine Frau, die aus einem Haus direkt hinter dem Plakat kam, jedoch zerschlissene Jeans trug und ganz normal aussah.

Modeaustellung im Israelmuseum.

«Can we go there like this?»

Ich hatte lange Hosen, ein langes Hemd – bis ganz oben geschlossen – und auch Nico trug lange Sachen.

«Yes, you can. But do not let her alone. Stay with her. They are crazy. And maybe take the scarf and put it around your hips like a skirt.”

Gang.

So gingen wir also hinein. Und von einem Haus zum anderen waren wir in einer komplett anderen Welt. Die Häuser waren ärmlich, die Menschen schauten skeptisch. Wir waren fehl am Platz hier. Nur ohne Bewachung, wobei ich mich nicht bedroht fühlte. Nur ausgeschlossen. Bereits Kleinkinder waren mit diesen grossen Hüten und den Kleidern unterwegs, die aus einer komplett anderen Zeit zu kommen schienen. Wir gingen schnell, schauten nicht zu viel und kamen zum Glück bald im kommerziellen Zentrum des Ortes an. Dort war alles ein bisschen entspannter. Dennoch konnte ich es kaum erwarten diesen Ort zu verlassen. Ich möchte niemanden stören. Nicht als Schaulustige ihr Leben beeinträchtigen und dennoch bin ich ein bisschen schockiert, denn dies ist eine ganz klare Abschottung und es ist nicht einfach ein heiliger Ort, der abgeschottet ist oder ein privates Zentrum, es ist ein Teil einer Stadt. Das kann nicht gesund sein für ein Land.

Und eine letzte Impression aus dem Israelmuseum. Wirklich sehr stilvoll gemacht in meinen Augen.

Mit dem im Rücken machten wir uns auf den Schabbat in Jerusalem zu erleben. Viele hatten uns gewarnt, dass da wirklich nichts los ist. Aber eigentlich ist es zumindest für Touristen sehr entspannt. Es gibt fast nichts, was offen ist und wir hatten gehört, dass manchmal extrem Religiöse Steine auf Autos schmeissen, die trotzdem fahren, doch haben wir davon nichts gesehen oder in irgendeiner Art und Weise erlebt.

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Auberge Inn

Das Hostel mit dem coolen Namen in Jericho (Palästina) war genau der richtige Ort, um von dem kleinen “Horror”trip in Jordanien wieder runter zu kommen. Allerdings erreichten uns da auch die neusten Neuigkeiten aus Gaza. Es brodelte wieder. Wir sprachen mit nennen wir ihn Ibrahim darüber. Er arbeitet für das deutsche auswärtige Amt und ist Palästinenser. Er hegt allerdings null Abneigung den Israelis gegenüber. Er möchte einfach Frieden. Es ist spannend sich mit ihm zu unterhalten. Er macht Nico einen Kaffee nach dem anderen und erzählt, dass er seinem Sohn einen Laden gekauft hat weil er nicht möchte, dass er wie so viele Junge da einfach nur in den Shishabars rumlungert. Sicher ein guter Plan.

Besuch des Hisham Palasts, der allerdings vor allem für die Mosaiks bekannt ist. Diese wurden aber gerade restauriert. Also konnte ich nichts davon sehen. Dafür habe ich den Aufseher kennen gelernt und sehr lange mit ihm Tee getrunken.

Wir sind in der Zone A. Hier haben Israelische Staatsangehörige keinen Zutritt und es ist tatsächlich anders und doch sehr ähnlich wie Israel, nur gibt es die besseren Lebensmittel hier. Wahrscheinlich haben sie Schwierigkeiten im grossen Stil zu exportieren. Also landet es auf dem Tisch. Mein Gaumen freut ich.

Moment, ein Mosaik konnten wir ganz hinten doch noch finden. Einfach nicht farbig, dafür in einer gespenstisch – aber irgendwie doch schön wirkenden – Kulisse aus Plastik, der sich wie Spinnweben präsentierte.

Von hier machen wir einen kleinen Ausflug zum Toten Meer, denn Nico war noch nicht dort gewesen. Und schon nur für sein Lachen am Anfang hat es sich gelohnt. Danach haben wir uns mit Schlamm eingerieben und konnten beobachten wie sehr der Meeresspiegel schon gesunken war.

Mein Held *hüstel*

Per Anhalter ging es dann zurück nach Jericho. Dort verbrachten wir die restliche Zeit mit diskutieren. Es ist interessant. Die Touristen, die wir hier trafen sind ganz anders. Viele sind fast ausschliesslich in Palästina unterwegs. Viele sind tatsächlich ziemlich anti-Israel eingestellt und ich bin froh beide Seiten gesehen zu haben.

Blick vom Berg der Versuchung auf Jericho hinunter.
Das Kloster der Versuchung. Was für ein schöner Name.
Ein Hinterhof.
Da oben war mal der Steg. Die tiefste Bar der Welt wird also noch den eigenen Rekord brechen können, wenn der Spiegel des Toten Meers weiter sinkt. Juhu.
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Alles auf einmal – die Springflut, angefahren, ein steinewerfender Taxifahrer, Lügen und im WC eingeschlossen (Petra)

Gleich vorweg. In den Tagen ist zu viel passiert, als dass ich ein gerechtes Bild von Jordanien abgeben könnte. Also nehmt es mit einer Prise Salz und seid euch bewusst, dass es eingefärbt ist von einigen schlechten Erfahrungen.

Wadi Rum aus dem Taxi. Sprich wir haben es ausgelassen. Aber es kann auch noch so spektakulär sein. Nach der wunderbaren Zeit in Negev hatten wir keine Mühe daran vorbei zu fahren.

Alle hatten uns gewarnt: es gibt Springfluten in der Wüste. Und wollte ich davor noch unbedingt eine sehen, so bin ich jetzt überzeugt, dass ich das nie mehr erleben möchte. Zumindest nicht in Jordanien, denn in Jordanien gibt es keine Warnung davor, aber danach viel Polizei, die so tut als hätten sie die Lage im Griff, aber fliesst das Wasser erst einmal, ist es nicht mehr gefährlich, denn jeder weiss wo es ist und damit ist es nichts anderes als ein Wildbach in den Bergen.

Erster Eindruck von Wadi Musa – dem Dorf, das direkt an Petra angrenzt.

Gefährlich ist der Moment in welchem das Wasser kommt. Diese paar Sekunden und es ist wirklich schnell, reisst alles mit sich, Bäume, Steinblöcke, Autos, was sich auch immer in den Weg stellt oder nicht schnell genug verschwindet, wird erfasst.

Ein trockenes Bachbeet mit einem Wasserreservoir.

Aber ich springe in der Zeit vorwärts. Als wir um 9 Uhr morgens in Petra ankamen und unsere Sachen im Hostel deponierten, war noch fast alles rosig. Ausser, dass ich die Türe der Toilette ganz zuzog obwohl der Türgriff abgebrochen war. Schnell bemerkte ich meinen Fehler, aber da war es schon zu spät. Der Griff liess sich nicht bewegen und natürlich trug ich mein Taschenmesser nicht auf mir. Beim Versuch den Griff in Bewegung zu setzen, schnitt ich mir die Hand auf. Ich demontierte also den Toilettenpapierhalter und versuchte damit die Tür zu knacken. Er war ein kleines bisschen zu dick. Ich schaute mich nach weiteren Werkzeugen um, doch dann kam Nico und befreite mich.

Doch kommt mit auf die Tour: Die ersten Schritte in Petra. Rechts laufen wir, Links reiten Pferde vorbei. Im Ticket inbegriffen und dann wird tief auf die Tränendrüse gedrückt, damit man ein Trinkgeld gibt.

Nun war ich zumindest wach und es ging auf Richtung Petra. Wir hatten ein ganz klein wenig Essen im Gepäck und stapften unwissend voran. Kaum drinnen kam es von allen Seiten auf uns zu. «Wollt ihr reiten?», «Hier, kommt ich kenne einen Speziellen Aussichtspunkt. Dort könnt ihr nur mit Guide hin. Dieses Foto könnt ihr von dort oben machen.» Und dann waren da diese Rennwagen. Pferdegespanne, vor denen man immer wieder zur Seite springen musste, denn sie brachten Touristen im Eiltempo in die Mitte von Petra und zurück.

Wasserkanal, den man auf beiden Seiten des Siq sehen kann. Obwohl es damals weniger trocken war, wussten sie natürlich um die Notwendigkeit einer Wasserversorgung. Daneben rast gerade eines der Pferdegespanne durch.

Vielleicht für alle jene, die Petra nicht kennen. Einmal zum Hauptplatz und zurück sind 8 Kilometer und da hat man noch nicht viel gesehen. Am zweiten Tag haben Nico und ich zum Beispiel rund 35 Kilometer zurückgelegt.

Und dann scharen sich plötzlich die Menschen und etwas schimmert durch.

Wir stapften also durch diese beeindruckende Schlucht (Siq) und da tat es sich plötzlich vor uns auf. Dieses eine Gebäude, das man auf allen Fotos von Petra sehen kann. Dieser eine Augenblick ist schon gewaltig und niemals das Gleiche beim zweiten Mal. Dafür schimmert der rote Fels zu jeder Tageszeit ganz anders.

Dann öffnet es sich mehr.

Dahinter kommen römische Ruinen. Nichts komplett Neues aber schön. Hinter den Ruinen trafen wir Hassan und seine Tochter. Obwohl ich dachte, dass es seine Enkelin wäre, doch die starke Sonne lässt die Beduinen immer älter wirken, als sie sind. Hassan verkauft Beduinentee (Schwarztee mit einigen Kräutern und sehr viel Zucker) an die Beduinen. Nicht an die Touristen. Wir sprachen eine Weile mit Hassan. Er erzählte von der Zeit bevor die Touristen kamen. Von den fast 100 Franken Eintritt, die jeder Tourist bezahlt erhält er gar nichts. (Kommentar von mir: Ausser einen Freibrief diese Touristen aufzunehmen und die Möglichkeit weiterhin hier zu wohnen). Er sagt es ist eine Mafia in Wadi Musa (das ist das Dorf, das direkt vor Petra liegt und wo alle Hotels sind) und ich glaube es sofort.

Römische Ruinen dahinter die Königsgräber.

Der Tee tut gut. Wir sind unterernährt, hatten nicht so viel Wandern erwartet und der Zuckerschub gibt uns wieder etwas Kraft. Später winkt uns seine Tochter lange hinterher. Lange und immer wieder, denn sie sitzt gefühlte Augenblicke später irgendwo hoch oben in den Felsen. Heute hat sie keine Schule. Aber ich bin mir nicht sicher, ob das stimmt, denn das höre ich noch an anderen Tagen. Zu oft, als dass es so richtig wahr sein kann.

Wer erkennt die Karawane? Einer meiner Lieblingsorte im Siq weil die Wasserleitung wunderbar in die Figuren eingebettet ist.

Hassan sagte, dass die Mosche der schönste Punkt in Petra ist, doch dafür war es heute zu spät. Zum Sonnenuntergang stiegen wir stattdessen noch zum Kloster hinauf. Für mich war das der richtige Höhepunkt des Tages, denn als wir noch höher hinauf stiegen hatten wir eine unglaubliche Aussicht. Die Felsen schimmerten golden und rot im Abendlicht und plötzlich war da eine Art Pfeife zu hören. Wir lauschten einfach. Bis ein Mann auf einem Esel angewackelt kam. Als er uns sah, verstummte sein Gedudel leider.

Das Kloster im Licht der untergehenden Sonne.

Beim Abstieg trafen wir eine alte Engländerin mit der wir sehr lange sprachen. Denn sie war eine der letzten, die hinunter ging und wir wollten sie nicht alleine lassen. Sie kann nicht so gut atmen, ging aber einfach Schritt für Schritt und machte immer wieder Pause. Sie nahm zwischendurch einen der Esel für sich in Anspruch und hatte ansonsten einen persönlichen Fahrer angestellt, denn einer Gruppe kommt sie nicht hinterher und sie nimmt gerne ihre Zeit. Früher ist sie ganz anders gereist mit Rucksack und allem. Jetzt ist es halt anders. Wir fragten sie nach einem guten Restaurant in Wadi Musa – keines gefunden. Wir auch nicht.

Impression beim Abstieg.

Am nächsten Tag standen wir um 6 Uhr morgens beim Eingang, um den Touristenmassen zu entkommen, denn es ist Hochsaison und das lohnt sich. Selbst die Eseltreiber sind noch komplett verschlafen und fragen höchstens mal müde «wanna ride?» und kommen einem nicht hinterher, wenn man höflich nein sagt. Ganz im Vergleich zum Vortag. Wir liefen also durch den Siq und dann links hoch auf einem Trampelpfad. Da waren wir alleine. Und hier kommt in meinen Augen die wahre Schönheit Petras zu Tage. Das ist der Stein aus dem es gebaut ist. Beindruckende Schichten wie Jahresringe von Bäumen.

Der wahrste Überdruss. Überall bunte Steine, Details, atemberaubende Landschaft. In kleinen Portionen würde man es in meinen Augen allerdings viel angemessener geniessen.

Und dann ist da die Abstraktion. Wie alles in der Gegend wurde vor hunderten von Jahren verlassen, nachdem ein grosser Teil bei einem Erdbeben zerstört worden war. Seither haben Wind und Wetter daran geschliffen und aus den delikaten Formen eine Abstraktion gezaubert, die nur noch vermuten lässt, was da einmal war. Und in einigen Fällen ist es wie in der Kunst, die abstrakte Form ist faszinierender für mich, als die Nachbildung.

Was ist hier Natur und was Menschengemacht? Verwaschene Formen integrieren das Menschenwerk.

Nachdem wir den Seitenpfad genommen hatten, wollte ich Nico motivieren mit mir zur Moschee hinauf zu steigen. Das war eine wahre Gratwanderung. Denn Nico war alles andere als motiviert. Wir waren schon weit gelaufen und die Moschee war wirklich im entlegensten Winkel von Petra. Nico war schon fest entschlossen mich alleine da hoch klettern zu lassen, als wir einer sehr seltsamen Frau begegnet sind. Danach wollte er mich nicht mehr alleine gehen lassen und ich hatte keine Einwände.

Details, die man irgendwann zu übersehen beginnt weil es überall irgendetwas hat. Zentimeter um Zentimeter mit über 50 Kilometer Wegnetzwerk und noch viel mehr Winkeln, die für die Touristen nicht erschlossen sind.

Wir liefen also und liefen und liefen und irgendwann sahen wir in der weiten Ferne die Moschee ganz oben auf einem Gipfel. Und da trafen wir zum Glück auf eine Reisegruppe aus Frankreich. Sie waren gerade auf dem Abstieg, während wir uns nicht sicher waren wo der Weg genau durchführt. «Ganz einfach zu finden» und «1:30 Stunden hoch, na ihr vielleicht 1:15» meinte der Gruppenführer und er sollte auf die Minute recht behalten. Ausser das mit dem Weg finden. Hier ist fast nichts ausgeschildert. Wir folgen den Fussspuren und dann an einer Kreuzung, wo es in zwei Richtungen geht, ruft und plötzlich eine Frau von ganz oben und zeigt uns welche Weg wir nehmen sollen.

Fast so lang wie von den Fingerspitzen bis zu meinem Ellenbogen. Auf dem Weg zur Moschee hoch entdeckt.

Sie und ihre Tochter heissen uns oben willkommen. Sie tragen alte, vollkommen zerfetzte Kleidung und haben den Schlüssel für die Moschee. Wir trinken einen zuckersüssen Tee mit den beiden, lehnen allerdings das Brot ab, das sie uns anbieten. Jetzt bin ich froh, dass meine Hosen auch nicht komplett neu sind, sondern überall geflickte Löcher haben und mein Fotoapparat gut verstaut ist. Ich möchte ihnen nicht Reichtum demonstrieren. Wir lehnen das Brot ab, das sie uns anbieten und teilen stattdessen unsere Pistazien mit ihnen. Dann schenke ich ihnen noch die Teekräuter, die ich dabei habe.

Mit etwas mulmigem Gefühl verfolgen wir die Wolken, die sich langsam hinter der Moschee aufzutürmen beginnen. Wobei ich hier noch aufs Dach geklettert bin, da es eine Treppe gab.

Am Schluss fragen sie uns trotzdem für 1 JOD (2 Franken) für den Tee. Das schlechte Gewissen, das ich dabei in ihren Augen sehe versöhnt mich wieder. Dennoch, ein stolzes Volk, das sehr gastfreundlich gewesen sein muss ist dazu geworden, dass sie davon Leben müssen Touristen das Geld aus der Tasche zu ziehen und bei mir kommt da der Reflex hervor immer auf der Hut zu sein. Wenn einem hier jemand einen Tee anbietet, dann ist es niemals umsonst. Obwohl das eigentlich zu ihrer Kultur gehören würde. Es ist schwierig zu erklären. Ich habe den beiden sehr gerne mein Geld gegeben, sogar gerne noch mehr, aber es fühlt sich falsch an. Es gibt ein Abhängigkeitsverhältnis, das ungesund ist.

Moschee mit Sicht bis zum Toten Meer. Der Aufstieg hat sich gelohnt und wie.

Aber darum lasse ich Touristenorte auch oft aus. Weil die Begegnungen einfach anderer Natur sind. Die Frau und ihre Tochter waren zwar noch an uns als Personen interessiert, aber viele sind es nicht mehr. Wir können nichts zurück geben ausser Geld und zumindest in Petra hat das die Gier geschürt. Seis drum, der Ausblick von der Moschee aus war wirklich atemberaubend. Man sah bis zum Toten Meer und auch das Kloster konnten wir erkennen. Die Moschee selber war nichts besonderes, aber in ihrer Schlichtheit auch nicht störend.

Die glücklichen, aber sehr erschöpften Gipfelstürmer.

Dennoch sollte ich am nächsten Tag nochmals eine schöne Begegnung haben und zwar mit einer Beduinenfamilie, deren Kinder mich um Geld angebettelt haben. «Give me candy.» «give me money.» «only 1 JOD for 10 postcards.» Das waren die drei Sätze, welche die beiden Jungs auf auf Englisch konnten. Ich hielt mich an die Regel, die ich gelernt hatte. Kinder sollen spielen und nicht Dinge verkaufen und so begann ich stattdessen mit ihnen zu spielen. Ich zeichnete Figuren in den Sand und ignorierte ihr dazwischen aufkommendes Betteln. Achmed hiess einer der beiden. Er hatte diese grossen Augen und brachte mich zu seinen Eltern.

Blick aus einem der Gräber.

Dort gab es Tee, ich nahm an, obwohl ich genau wusste worauf ich mich einliess. Aber es gab mir die Freikarte das Familienleben zu beobachten. Sie wohnten in einer Höhle in der Nähe, verkauften alte Münzen, wie alle Beduinen hier. Diese fanden sie, wenn es jeweils regnete. Der Regen wusch sie frei. Abgesehen davon hatte ich den Eindruck, dass die Jungs ein gewisses Plansoll an Postkarten zu verkaufen hatten pro Tag. Achmed war gut darin und kam triumpfierend zurück. Bei mir hinterliess das eine gewisse Traurigkeit. Ich wollte sie schütteln und sagen «bietet einen richtigen Service an und die Touristen lassen euch gerne einen Teil ihres Geldes hier», aber ihr Englisch war nicht gut genug. Stattdessen fragte ich nach einem Weg zurück. Einem anderen als durch den Hauptsiq, denn ich brauchte etwas Zeit für mich. Ich kaufte noch eine Halskette und war damit tatsächlich zum Tee eingeladen, was ich als sehr schön empfand. Damit waren allen zufrieden und ich hatte den Kindern kein Geld gegeben.

Uuuund eine Komposttoilette mitten drin. Juhu.

Und es gibt einen zweiten Weg. Ein ganz enger Siq, davor kommt man an vielen bewohnten Höhlen vorbei. Ich bewegte mich vorsichtig, denn heute war ich alleine auf Streifzug. Es war unser letzter Tag hier und Nico war genug gewandert. Mit leicht mulmigem Gefühl stieg ich in die enge Schlucht hinein. Hier lag vor allem Abfall und es sah aus, als wäre die Schlucht bald zu Ende. Ich überwand mich aber und ging bis zur Biegung. Dahinter ging es weiter. Wieder Verzierungen. Neben mir stiegen die Felsen hoch. Ich ging weiter, vorangetrieben von der Neugierde, gebremst von einer Angst die mich zu umklammern begann. Bei der ungefähr fünften Biegung drehte ich um. Ich hatte Nico versprochen vorsichtig zu sein und wir mussten bald aus dem Zimmer auschecken.

Kochutensilien der Beduinen.

Ich eilte also zurück durch den Hauptsiq. So alleine sprachen mich die «Guides» ganz anders an und ich war guter Laune. «need a ride» – «do I look like I would need one?» Zauberte dem Pferdegespannführer ein breites Grinsen aufs Gesicht und wir waren uns sogleich einig, dass ich zurücklaufen würde. Etwas später setzte ich mich zu einem anderen Beduinen auf den alten Wasserkanal. Er bot mir eine Zigarette an und ich lehnte dankend ab. Da fielen die ersten Regentropfen.

Am dritten Tag bin ich so früh, dass die Läden vor den Königsgräbern noch geschlossen sind.

«Ist das nicht gefährlich hier» wollte ich wissen? Er verneinte. Schliesslich gibt es eine Drainage. Aber eine Drainage ist immer auf eine gewisse Wassermenge dimensioniert. Was wenn mehr kommt. Fragte ich mich still, ohne ihn weiter zu hinterfragen. Ich sprach noch einen Moment mit ihm, dann machte ich mich schnurstracks auf zum Ausgang. Am Schluss rannte ich und ich kam genau vor dem Hostel an, als es zu schütten begann.

Blick von oben auf das erste Grab, das man aus dem Siq erahnen kann. Mein Frühstücksort an Tag drei. Ganz alleine.

Wenig später krachte es und Menschen schrien. Wir sollten hier bleiben hiess es. Und da wusste ich, dass die Springflut gekommen ist. Zum Glück war ich nicht mehr in dem kleinen Nebensiq, der nicht dafür vorgesehen ist, das Menschen hindurch laufen, denn da durch wird ein Teil des Wassers abgeleitet. Dennoch wollte ich raus und sehen.

Erkundungstour im Nebensiq. Geradeaus geht es weiter und weiter und weiter. Aber wohin?

Braunes Wasser flutete die Bäume unten im Tal, die Brücke unterhalb unseres Hostels war überspühlt worden, hielt allerdings. Niemand kam mehr beim Hauptausgang von Petra raus. Andere Reisende erzählten, wie sie gerade noch ihr Auto retten konnten. Die Bilanz 3000 Touristen aus Petra evakuiert, die Drainage hielt. Das heisst die meisten kamen mit nassen Füssen und zum Teil einem kleinen Schock davon. 8 Tote in Jordanien insgesamt. Aber wo hatte es sonst noch geflutet?

Video zum Wasser, das Richtung Totes Meer stürzte. Vorher war die Brücke komplett überflutet gewesen. Hier ist es nur noch ein Rinnsal. Dennoch stehen die Leute auf der Brücke nicht an einem cleveren Ort.

Wir nahmen ein Taxi, welches uns unser Hostel organisiert hatte nach Amman. Ein Freund. Das Taxi kam 3.5 Stunden zu spät. Darin sassen zwei Österreicherinnen. Sie mussten zum Flughafen in Amman am nächsten Tag und wir waren froh endlich dem wohl schlimmsten Hostel, das ich je gesehen hatte in meinem Leben zu entkommen. Unser Taxifahrer war allerdings komplett verrückt. Plötzlich verlangte er das Doppelte des Preises welchen wir vereinbar hatten, was mich natürlich in Rage brachte. Da wusste ich noch nicht, dass ich es mit einem Choleriker zu tun hatte, bei dem ich wirklich aufpassen musste, dass er nicht gerade ausrastete. Wenige Augenblicke später sollte ich das allerdings noch lernen.

Wir sassen also im Auto, froh endlich losfahren zu können, aber dennoch mit einer gewissen Angst im Nacken, dass es unterwegs auch noch Fluten gab. Zwei Wochen zuvor waren 21 Personen gestorben. Im Süden hatte es an dem Tag noch einen Touristenbus erfasst und es war ein wirklich starker Regen gewesen. Allerdings vergass ich das schnell, als unser Taxifahrer neben einem anderen Auto stoppte und diesen zu verfluchen begann. Das andere Auto fuhr davon und er mit vollgas hinterher, bremste das andere Auto aus, stieg aus und begann Steine nach dem Auto zu werfen.

Wir beschlossen auszusteigen, konnten allerdings den Kofferraum nicht öffnen und da war er auch schon wieder zurück. Er machte richtig Angst. Ihm jetzt zu sagen, dass wir doch nicht nach Amman fahren würden, brachte bestimmt die totale Eskalation. Wir stiegen also wieder ein und Nico versuchte ihn zu beruhigen, während ich einfach den Mund hielt, denn ich wusste ganz genau dass ich nicht dazu fähig war diesen Mann zu beruhigen.

Und es gelang Nico tatsächlich. Nach einigen weiteren kleineren Ausbrüchen, wo er wie ein Irrer durch die Gassen von Wadi Musa fuhr, beruhigte er sich und die Fahrt ging ereignislos weiter. Ich döste sogar ein bisschen, als wir von der Polizei gestoppt wurden.

Überschwemmung von hier bis nach Amman. Toll, die zwei österreicherinnen mussten ihren Flug erwischen. Unklar wann die Strasse wieder aufgeht, unklar ob es noch mehr Regenfälle gibt. Aber ein netter Jordanier, der sich für alle Jordanier entschuldigte, uns aber kein Stückchen weiter half, obwohl er perfekt Englisch sprach. Aber er war da mit seinen internationalen Freunden, die er aus einem Studienaustausch kannte. Sie gingen in einen Ort in der Nähe, während ich dachte dass dies der perfekte Augenblick ist unseren Taxifahrer endlich los zu werden, ohne dass er das Gesicht verlor. Aber ich war die einzige von uns vieren. Die anderen wollten das tun, was die Polizei ihnen sagte, aber der Taxifahrer hatte als allererstes mit der Polizei gesprochen. Und ich sah sein Gesicht dabei. Ich bin mir ganz sicher, dass die Polizei nicht das gesagt hat, was uns Touristen half. Es kümmerte sie kein bisschen als kurz darauf ein Auto rückwärts in mich hinein fuhr, als ich etwas aus dem Taxi holen wollte. Ich merkte es erst gar nicht war so geschockt, doch dann kamen die Rückenschmerzen und der Nacken.

Und unser Taxifahrer war bereit Profit aus unserer Lage zu schlagen. Der Preis vervielfachte sich plötzlich auf wundersame Weise. Ich bot ihm an uns einfach da zu lassen. Sie lachten uns aus. Hier könnt ihr nicht bleiben. Und ob ich hier hätte bleiben können! Es gab ein Dach, ich hatte meinen Schlafsack und hier schienen wir zumindest einigermassen sicher vor der Flut. Spätestens am nächsten Morgen würde uns irgendjemand ein Taxi rufen können oder ein Bus aufschnappen. Dass Autostop illegal ist in Jordanien wusste ich damals noch nicht. Aber ich hätte es vielleicht erfahren. Doch wurde ich überstimmt. Die Strasse war wieder halb frei gegeben. Das heisst die Polizei hielt uns nicht mehr aktiv zurück. Die drei anderen wollten nach Amman und ich gab mich schlussendlich geschlagen. Was wir unterwegs sahen war beeindruckend. Auto um Auto lag neben der Strasse umgedreht, voll mit Schlamm und das an Stellen, wo niemand erwartete hätte, dass es einen Oberflächenabfluss geben würde. Die Nachrichten aus Jordanien: Die Saudis sind Schuld, denn der Regen fiel dort. Grossartig. Und um zu zeigen, dass sie etwas unternahmen, schlossen sie am kommenden Tag alle Sehenswürdigkeiten im Land. Auch jene, die komplett unberührt vom Regen waren. Wir standen im Stau, warteten, schauten auf die Fahrzeuge und trafen später ein Taxi, das unseren Fahrer anscheinend kannte. Er sollte gerade einen Lastwagen überholen, doch dieser Lastwagen wollte das Taxi nicht überholen lassen. Es war eindeutig. Mehrmals versuchte es das Taxi, doch der Lastwagen zögerte nicht beim Versuch es von der Strasse zu stossen. Sind hier eigentlich alle irre?

Nun ihr hört es, obwohl wir schlussendlich heil in Amman ankamen und zweimal grosses Glück hatten, einmal weil ich etwas früher aus Petra raus gegangen bin und dann dass unser Taxi 3.5 Stunden Verspätung hatte und wir selbst nicht von der Flut erfasst wurden. Aber ich war mit den Nerven fix und fertig. Konnte nur noch darüber lachen. Es erschien alles so komplett surreal. Aber eines war klar, ich würde froh sein Jordanien bald wieder zu verlassen und das obwohl mich Amman beinahe wieder damit versöhnte. In Amman waren die Leute viel entspannter, es drehte sich nicht alles um den Tourismus und wir assen ausgesprochen gut. Dennoch weinte ich keine einzige Träne, als wir über die Allenby Crossing Grenze zurück nach Israel und Palästina gingen.

Und hier noch ein paar Bilder, damit der Abschluss ein bisschen versöhnlicher ist:

Beduinenbehausung in einem ehemaligen Grab.

Vogelperspektive auf die Römischen Ruinen.

Früher gabs noch Marmortafeln um die einzelnen Orte zu beschriften.

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