Der Unterschied zwischen dem Reisen und im Ausland leben

Schon seit einiger Zeit habe ich eine etwas zwispältige Sicht aufs Reisen gewonnen. Das haben viele Reisende, die sehr lange unterwegs waren und, denn irgendwann kommt der Gedanke, dass Reisen nur eine Illusion, eine Traumwelt ist, die gar nichts, aber auch gar nichts mit der Wirklichkeit zu tun hat. Man schwebt selber auf einer Wolke und die Leute um einen herum bestärken einen darin. Das heisst nicht, dass dieser Traumzustand, diese verheissungsvolle Lüge nicht wunderschön sein kann, aber wenn ich etwas über das richtige Leben erfahren möchte, dann muss ich an einem Ort wohnen, einen Alltag entwickeln, wie damals in Indien oder in Deutschland. Drei Monate reichen dazu natürlich nicht und mein Japanisch ist leider noch immer ungenügend, um alle Fassetten eines Landes zu erfassen, dennoch versuche ich ein paar Unterschiede zwischen Reisen und Wohnen aufzuzeigen.

Trotz längerem Aufenthalt ist es mein Ziel zwei Sehenswürdigkeiten pro Woche zu sehen. Hier der Blick auf einen von einer Vielzahl (es gibt wirklich an jeder Ecke welche) von Tempeln.

Für ein Wochenende ging es auf nach Matsuyama, ich schulterte meinen Rucksack und war in keinster Weise von einer Backpackerin zu unterscheiden, mit der Aufnahme, dass ich eine Präsentation im Gepäck hatte und die Uni mein Ziel war. Plötzlich waren sie überall. Die Komplimente, die in der nähe der Kyodai (Kyoto University) niemals fallen. Ein einziges Wort auf Japanisch reicht, um Entzücken hervor zu rufen. Es ist als wäre man ein kleines Kind, das gerade sein erstes Wort gesagt hat. Ja, genau das ist es. Da kommt augenblicklich die Frage auf. «Nehmen einen die Japaner einfach nicht Ernst und sind darum begeistert wegen jedem Gacks, den man macht?» Nadine (ebenfalls eine Austauschstudentin aus der Schweiz) hat das schön ausgedrückt. Wir sind funktionierende Analphabeten in diesem Land. Man muss und für leicht bescheuert halten, was die Japaner einem natürlich nie direkt ins Gesicht sagen würden. Aber die Komplimente haben manchmal einen gewissen solchen Nachhall.

Auf einem Spaziergang durch Mandarinenheine in Matsuyama. Für einmal sind Nadine und ich ganz alleine.

Das bringt mich zu einer weiteren Beobachtung. Ich habe den Eindruck, dass viele westlichen Menschen, die nicht gerade über ein grosses Selbstvertrauen verfügen japanbegeistert sind. In Japan kommen sie voll auf ihre Kosten mit Komplimenten. Wie komme ich darauf? Unter anderem Selbstbeobachtung? Dieses Mal ist es aber wie gesagt anders. In Kyoto passiert mir das sozusagen nicht, denn ich bewege mich nicht in Touristenkreisen. Stattdessen hatte ich einen harten Start im öffentlichen Bad, wo ich am Anfang eher geduldet wurde. Meine langen Haare haben fast Panik ausgelöst. Wehe es fällt eines ins Wasser. Wenn sie nicht weiss, wie sie sich zu benehmen hat? Stand der Dame nur zu deutlich ins Gesicht geschrieben. Inzwischen, werde ich jedoch herzlich begrüsst und ich gehe zweimal pro Woche dorthin. Aber das war Arbeit.

Einen Sinn für Ästhetik haben sie zweifellos die Japaner. Wie immer ist diese Komposition wohl kaum ein Zufall.

Japaner sind untereinander zudem ziemlich hart. Es fallen extrem wenige Komplimente. Gerade auch von seiten der Professoren. Wobei mein direkter Professor da mal wieder eine gute Ausnahme ist. Sprich wieder die Frage, warum dann die Touristen immer so mit Komplimenten überhäufen?

Garten mitten in Kyoto.

Ein weiterer Aspekt, den ich den JapanerInnnen unterstelle ist, dass sie zwar kein so grosses persönliches Ego haben, wie wir Westler, aber als Nation haben sie ein ziemlich grosses Ego. Es schwingt schon ein bisschen mit, das Japan eine wichtige Kultur ist. Eine Grand Nation halt.

Machine zur Herstellung von Süssigkeiten. Danach werden sie aber noch von Hand poliert.

Ein weiteres interessantes Element in Japan ist wie unglaubliche Organisation und komplettes Chaos koexistieren. Einerseits ist Japan so effizient, wenn die Dinge klar geregelt sind, fehlt aber eine Regel, bricht das Chaos aus (leicht übertrieben). Aber dennoch, konnte ich eine überraschende Hilflosigkeit beobachten. Auch wenn es keine Hierarchie gibt.

Uh und dann gabs im Labor als erstes “Fondue”… ähm ja. Der Kommentar zu meiner Meinung dazu war. “Uh das war ehrlich.”
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