“Ah Professor”

Ein Traum wurde wahr. Ich wollte immer einmal in Japan leben und jetzt bin ich hier. Ich kanns kaum glauben, für 3 Monate an der Kyoto University (Kyodai) und dann noch ein paar Wochen Ferien. Wenn ich schon hier bin.

Zwei Jahreszeiten in einem Busch.

Bei der Einreise habe ich mich natürlich gleich in die falsche Schlange gestellt. Ich habe nämlich ein Arbeitsvisum und kein Touristenvisum. Jetzt muss ich noch erwähnen, dass das Visum für «professor» ausgestellt ist. Das ist bei allen JSPS Stipendiaten so, wie es scheint. Auf jeden Fall, wurde ich da einfach immer in eine Richtung geschickt und fragte alle paar Meter wieder jemanden, bis sich ein Beamter mein Visum genau angeschaut hat und überrascht meinte «ah professor». Dann konnte ich natürlich nicht mehr alleine weiter gehen, sondern wurde begleitet und unglaublich höflich und zuvorkommend behandelt (also noch viel mehr, als das die Japaner sowieso meist tun). Ich grinste innerlich und hütete mich davor den Irrtum aufzudecken. Für einmal hatte die Japanische Hierarchie ihre Vorteile für mich.

Crêpes-session im Ramenrestaurant (gefüllt mit Nudeln, was sonst).

Frei nach dem Motto, no risk no fun, stürzte ich mich also ins Abenteuer. Ohne vorher zu wissen, wo ich die nächsten Monate in Kyoto unterkommen würde. Natürlich ist das bei mir beim Reisen normal, aber dieses Mal bin ich nicht nur zum Spass unterwegs, sondern weil ich ein Stipendium vom JSPS – Japan Society for the promotion of science – serhalten habe, um für einen Austausch von drei Monaten an die Kyodai (die Kyoto Universität) zu kommen.

Besuch in der Kehrichtverbrennungsanlage. Kawaii(auf Japanisch ist das süss, niedlich)-Kultur halt.

Seis drum die Situation, dass ich nicht wusste, wo ich unterkommen werde kam daher, dass ich mich «weigerte» in einem internationalen Haus unterbringen zu lassen, denn wenn ich schon hier bin, dann möchte ich maximale Exposition zur japanischen Kultur geniessen. Essen, Sprache, Menschen,… Dazu musste ich aber ein bisschen flunkern, als ich gefragt wurde, ob ich nun eine Unterkunft habe, denn eigentlich hatte ich keine. Ein Couchsurfer, der mich auf vielleicht gestellt hatte und dann der Plan in ein Hostel zu gehen, bis sich irgendetwas nach meinem Geschmack ergibt. Dahingehend war es auch wieder korrekt, auf der Strasse würde ich nie stehen müssen. Und man hat schon einen riesen Vorteil wenn man aus der Schweiz kommt und keine Angst haben muss bezüglich Geld ruiniert zu sein.

Herbstblätter überall und hier besonders “japanisch” in der Erscheinung.

Das mit dem Couchsurfer ging auf. Als erstes bin ich bei Minorusan und seiner Familie in einem veganen Ramenrestaurant wunderbar unter gekommen. Ich schlafe ab 23:30 Uhr wenn das Restaurant geschlossen hat auf dem Tatamiboden im Restaurant auf 6 Kissen, schiebe am morgen alles zur Seite, packe meine sieben Sachen und verstaue sie auf der Treppe zum zweiten Stock (eine unglaublich gute Übung für mich, um Ordnung zu halten und es klappt erstaunlich gut). Am Morgen bekomme ich Frühstück, wasche ab, gehe zur Uni, bleibe da abwechslungsweise bis früh (wenn ich von 18-22:30 Uhr) im Ramenrestaurant Schicht habe oder bis spät (wenn ich keine Schicht habe), um für die verlorenen Stunden am Vortag zu kompensieren und nicht dumm im Restaurant herum zu stehen, bis ich ins Bett kann. Danach helfe ich beim Abwaschen und gehe direkt schlafen.

Besuch einer geführten Tour in den Imperial Garden. Man wird schon fast hindurchgetrieben. Auf keinen Fall irgendwo stehen bleiben und einfach geniessen. Dabei wäre es so schön.

Das einzige Problem ist, dass es gar nicht so einfach ist ein Jetlag zu überwinden, wenn man so ein Tagesprogramm hat. Aber irgendwie ging es. Und nach drei Wochen und fünf mal umziehen, hatte ich nun auch eine Unterkunft gefunden und was für eine: Und zwar bin ich im selbstverwaltete Studentenwohnheim, dem Kumano-Ryo. Wobei ich riesiges Glück hatte, dass sich Rise (eine Studentin aus unserem Labor) für mich eingesetzt hat, denn normaler Weise darf da niemand bleiben, der nicht Japanisch kann. Wäre ich nicht einfach nach Japan gereist hätte das entsprechend niemals geklappt. Mein Zwecksoptimismus bewährt sich manchmal also auch, denn das Studentenwohnheim ist genau  nach meinem Geschmack: Wenig Komfort (so um die 4 Grad schätze ich im Zimmer, nur eiskaltes Wasser ausser in der Dusche, ziemlich chaotisch, viele drehen wohl gleich auf dem Absatz um, wenn sie das sehen), extrem coole Leute zum Diskutieren, entspannte Stimmung und relativ viel Platz für Japanische Verhältnisse. Wobei wir vor allem viel Platz haben weil Rise und ich nur zu zweit im Zimmer sind, statt zu viert. Ich fühle mich also schon sehr heimisch und lerne gerade eine ganz neue Seite von Japan kennen.

Eingang zu meinem ersten zu Hause hier in Japan. Dem Ramenrestaurant.

Abgesehen davon: Die Gruppe ist wundervoll. Sowohl der Professor, als auch alle Doktorierenden, sowie die Postdoktorandin sind extrem herzlich und ich fühle mich richtig willkommen. Momentan sind leider gerade alle ausser mir in Südostasien für Feldversuche verstreut. Sprich, es ist ein bisschen einsam im Büro. Dafür konnte ich nach herzenslust Arbeiten und habe heute ein Manuskript fertig stellen. Als Belohnung gehts jetzt ins öffentliche Bad.

Unser Zimmer. Mein Bett ist oben.

Zusatz: Um fair zu sein, sollte ich noch erwähnen, dass die Kälte in unserem Zimmer temporär war und komplett selbstverschuldet, da ich mich in der Villa-Durchzug einfach weigere eine Heizung zu verwenden. Da dies nur Energieverschwendung ist. Stattdessen reicht eine Bettflasche. Und ich habe herausgefunden, dass es ein Stockwerk höher in der Küche warmes Wasser geben soll. Ich taste mich langsam an ein konfortables Leben heran.

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