Der sibirische Atem

Lidia brachte mich auf den Zug. Ich hatte zweite Klasse gebucht, denn er war so günstig, dass ich der dritten nicht traute, denn es liess mich unweigerlich an meine Erfahrungen in Kasachstan denken. Wäre allerdings gar kein Problem gewesen. In der zweiten Klasse hat man einfach ein eigenes Abteil mit drei anderen Damen zusammen, in der vierten ist es offen und es gibt noch zwei Betten mehr an der Seite.

Bahnhoft in Vladivostok. Da wusste ich noch nicht, ob es erlaubt ist von Russischen Bahnhöfen Fotos zu machen. Also hat Lidia gefragt. Es ist ok.

Es begann also. Das “Abenteuer Transsib”, ein Traum von mir und das so richtig. Draussen ist alles gefroren. Ich spüre den sibirischen Atem. Aber im Zug sorgen 28°C dafür, dass der Rest meiner Geschenke (Schokolade) gnadenlos vor sich hin schmilzt.

Der Zustieg aus Kamtschatka und das erste, was ich aus der Transsib sah. Der Sonnenaufgang hinter Khabarovsk.

Ich schlafe viel – denn der Russisch-Intensiv-Kurs, den ich gewollt oder nicht dazu bekomme, macht mich sehr müde – und dann sitze ich am Fenster und schaue nach draussen. Die erst nur gefrorene und dann verschneite Landschaft zieht an uns vorbei. Birkenwälder, Industrie und (halb-) gefrorene Flüsse, erstrahlen in den wenigen hellen Stunden des Tages im blendenden Sonnenlicht.

Nur Tierspuren und die ersten paar Tage noch viel Sonne.

Zwischen unserem Wagen und dem Speisewagen herrscht Sibirischer Winter.

Der sibirische Atem zwischen den Wägen.

Das Essen im Speisewagen ist ok, aber nicht überwältigend. Aber man sieht hier ein bisschen die anderen Reisenden. Unsere kleine Familie im Abteil ist aber so verschworen, dass ich mich kaum mit anderen unterhalte.

Der Speisewagen.

Denn eine interessante Reisegesellschaft hat sich zusammen gefunden. Da ist erstmals Sveta, 26. Eine Möbeldesignerin, die zu ihrer zweijähriger Tochter zurück reist und ein bisschen Englisch spricht. Mit ihr unterhalte ich mich am meisten, aber zwischendurch zeichne ich auch einfach in ihr Tagebuch und sie in meines. Sie lebt in Kamkatschka, möchte aber viel lieber in Kaliningrad sein und ist mit einem Mann verheiratet, den sie nicht immer hübsch findet. Mit ihr verfliegt die Zeit, wir lachen viele auch wenn wir nicht verstehen und sie hat ein unglaublich gutes Auge für Fotos.

Sveta ist Burjatin und ich kann sehr viel von ihr lernen.

Das zweite ist Elvira. Sie ist 77 Jahre alt und war eine plastische Chirurgin, deren Mann sehr früh verstorben ist und die ihre beiden Töchter dann selber durchgefüttert hat. Sie besitzt eine wunderschöne Stimme, die sehr viel Volumen haben kann beim Singen. Aber ich lausche auch unglaublich gerne, wenn sie uns russische Gedichte vorliest. Und obwohl Elviras Augen von einem langen Leben berichten, wirken sie liebevoll und wach und ich hätte ihr die 77 Jahre niemals gegeben. Leider spricht sie nur russisch. Also lausche ich ihren Geschichten einfach zusammen mit Sveta, ohne viel zu verstehen.

Leider verlassen die beiden nach rund drei Tagen den Zug und ich erhalte neu Gesellschaft. Dieses Mal habe ich weniger Glück, also liege ich viel auf meinem Bett, das oben ist und lese, denn obwohl das System, um die Betten hochzuklappen wirklich ausgeklügelt ist, so machen sie keinen Gebrauch davon, sodass ich mich nirgendwo hinsetzen kann.

Ein fast ganz gefrorener Fluss, gelb-grünlich schillernd und vorne unser Zug.

Auch penetrantes Herumstehen bringt sie nicht auf die Idee mal ein bisschen Platz frei zu geben. Eine Chefin mit ihren beiden Angestellten. Wobei die eine Angestellte, ein bisschen erzählt. Sie wirkt nicht sehr zufrieden.

Und jetzt einfach ein paar Fotos, damit ihr euch vorstellen könnt, wie es unterwegs ungefähr aussieht:

Wirbel im Gras, festgefroren.

Unterwegs noch fast ohne Schnee.

Rote Wälder ziehen flux vorbei, um den nächsten Platz zu machen.

Zwischendurch mal ein Dorf. Kaum Menschen, wenig Tiere, aber der Rauch aus den Häusern verrät, dass hier gar nicht so wenige Menschen leben.

Leben am Rand der Schienen.

Und dann steige ich an einer Station kurz aus. Aber nur kurz, denn die Kälte schlägt mir entgegen.

An irgendeinem Bahnhof. Bei den grösseren haben wir immer 20 Minuten Aufenthalt. Was ich nutze um mich Auszukühlen, andere zum Rauchen.

Ein Fotos…

Am gleichen Bahnhof. Die Sonne ganz flach.

zwei Fotos und schwups wieder rein in den Zug.

Zwischenstopp in der Nacht.

An all den Stationen wird Eis weggeschlagen und gewartet. Kein Wunder verkehren die Züge trotz den Temperaturen, unglaublich zuverlässig und pünktlich.

Hier gilt es Sveta tschüss zu sagen.

Viele Häuser und Bahnhöfe, sind bunt, wenn es denn welche hat. Was wunderbar in die Landschaft passt.

Der erste Blick auf den Baikalsee und alle Lachen.

Da bin ich schon fast an meinem Zwischenziel Irkutsk.

Wild. Schön.

Erst das Ufer ist gefroren. Beim See wird das noch bis Mitte Januar dauern.

Ein Güterzug, beziehungsweise ein Teil davon, denn die Güterzüge hier sind unendlich lang. Einmal habe ich gezählt. Ein eher kurzer und über 100 Wagen sind an mir vorbei gerauscht.

Allerdings fahren wir weiter, denn Irkutsk ist nicht wie von mir vermutet direkt, am See, sondern weiter westlich. Als ich aussteige werden -20°C angezeigt. Es ist 15:30 Uhr und die Sonne geht gerade unter.

Irkutsk Bahnhof.

 

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