Abgeschleppt und eingepfercht

In den letzten zwei Wochen habe ich ungefähr 4500 km – Kashgar nach Aktau – mit dem Zug und per Anhaltertaxi zurückgelegt, hatte 7 Tage bei glühender Hitze: keine Dusche, kein Hotelzimmer, selten Klos mit Wasser und bin ganz froh in Aktau angelangt zu sein. Ein Wettlauf gegen das auslaufende Kasachstanvisum, den ich leider noch nicht gewonnen habe, doch beginnen wir da, wo ich letztes Mal aufgehört hatte; in Kashgar.

Sara - eine Kanadierin, ihr Fahrrad und ich wurden von diesem Auto in Kirgistan nach Osh mitgenommen. Er hat uns am Ende leicht über den Tisch gezogen und jedes Mal angehalten, wenn jemand entgegen gekommen ist. Er schien alle zu kennen.

Von dort bin ich über den Irkeshtampass nach Osh aufgebrochen. Da es aber nur einmal pro Woche einen Bus gibt und ich den genau verpasst hatte, habe ich mich nach einer anderen Fahrgelegenheit umgeschaut. Zusammen mit einem Pärchen aus den USA habe ich ein Taxi gefunden und wir sind los. An der Grenze mussten wir erstmals warten, denn die Beamten machen von 12-15 Uhr Mittagspause. Nachdem der Grenzbeamte fast all meine Fotos durchgesehen hatte, durften wir auf einen Lastwagen warten und nach Kirgistan hinüber tuckern. Dort wartete auch gleich die Taximafia auf uns. Sie verhinderte erfolgreich, dass uns irgendein LKW mitgenommen hätte. Also blieb uns nichts anderes übrig, als hart zu verhandeln und schlussendlich ein Taxi zu nehmen, das uns einen günstigeren Preis angeboten hat, was fast zu Handgreiflichkeiten unter den Taxifahrern geführt hätte.

Wäscheklammern vor unserem Schlafplatz mit den Bergen im Hintergrund, die unsere Passüberquerung mehr als schön gemacht haben.

Die nächste Station war Osh. Vor einem Jahr war diese Stadt in Aufruhr, nun scheint sie zu schlummern. Die einzige Herberge finden wir inmitten eines Wohnquartieres. Klein, aber günstig und gemütlich. Wir treffen auf Fraser, einen weiteren Kanadier, besorgen uns Kirgisisches Bier (11Vol%), das mir mehr als mundet und eine dieser herrlichen Wassermelonen, sitzen vor unserem Wohnblock und diskutieren, debattieren, politisieren. Wie ich das doch vermisst hatte.

Autostop. An dieser Stelle leider erfolglos.

Da Fraser und ich beide unter Zeitdruck standen, brachen wir am nächsten Tag auf. Zelteten an einem lauschigen Plätzchen, kaum ausserhalb des kleinen Dörfchens Toktogul. Zu unserer grossen Überraschung hat sich allerdings kein einziger Einheimischer unserem Zelt genähert und gefragt, was wir da tun würden.

Die Aussicht vom Zelt.

Am nächsten Tag war uns der Gott der Anhalter deutlich geneigter. Oder zumindest mir, denn schon an der nächsten Gabelung schlug ich alleine den Weg in Richtung Talas und Taraz ein. Ich hatte Glück und ein netter Kirgise, der gerade abgeschleppt wurde hat mich mitgenommen. Zwischendurch blieben wir allerdings stecken, die Stange an der das Abschleppseil festgemacht war brach,… Aber zum Schluss gabs Bier für alle und ich konnte bei der unglaublich herzlichen Familie meines Chauffeurs übernachten.

Der Stausee nahe Talas.

Um schlussendlich nach Kasachstan zu gelangen habe ich mir ein Taxi genommen, da in Kirgistan der öffentliche Verkehr nahezu inexistent scheint. Der Fahrer wollte mir unbedingt noch ein paar Orte zeigen und wir hatten eine lustige Fahrt.

Und die Wasserfontäne unterhalb.

Von diesem Zeitpunkt an habe ich sobald ich konnte immer den nächsten Zug genommen. Erst gings mit einer lustigen Fussballmannschaft weiter nach Türkestan.

Ein Teil des Teams des FC Kizhilzhar, das mich um 3.30 Uhr morgens vor dem Zug verabschiedet.

Vorgängig hatte ich mit ihrem Trainer anstossen müssen. Im Zuge dessen habe ich auch meinen ersten Verbrüderungskuss erhalten. Es war lustig mit den Jungs zu diskutieren und der Trainer war eigentlich auch ganz ok. Auch wenn er etwas zu anhänglich wurde mit zunehmendem Pegel.

Im schucken historischen Städtchen Türkestan zu finden.

Durch eine lange Diskussion auf “russisch” mit dem Bahnhofsvorsteher in Türkestan, habe ich herausgefunden, dass es keine Tickets mehr für die direkten Züge nach Aktau gibt. Die nächste Station war also Kandyaghash. Dazwischen gabs leckeres Essen bei den Läden, die sich überall auf dem Bahnhof öffnen, kaum kommt ein Zug an. Egal zu welcher Uhrzeit.

Kleine Läden am Bahnhof.

Dazu gesellen sich die Babushkas, die ihre Kochtöpfe gleich zum Bahnsteig bringen. Herrlich. Weniger sympathisch war hingegen mein Taxifahrer, der mich zum Büro der Migration bringen sollte. Er war unglaublich nett zweifellos, hat mich wie abgemacht für 200 Tenge dorthin chauffiert und wollte dann einfach nicht verstehen, dass ich zurück laufen möchte, denn ich hatte Zeit bis der nächste Zug fuhr. Aber ich brauchte sowieso ein Internetcafé und da es schwierig ist so etwas alleine zu finden, denn sie sind hier rar gesäht, habe ich mich wieder ins Taxi gesetzt. Google Translate hat mir geholfen ihm auf Russisch zu erklären, dass ich ihn nicht mehr gebrauche. Er hat es ignoriert und gewartet. “Vielleicht ist er einfach freundlich.” Dachte ich Schulterzuckend, aber man sollte doch im Hinterkopf behalten, dass Menschen sehr oft vom Geld motiviert sind. Schlussendlich bin ich dann doch mit ihm zum Bahnhof zurückgefahren. Er hält zwei Finger hoch und ich möchte ihm erneut 200 Tenge in die Hand drücken. “Njet 2000.” Meint er und ich lache ihn einfach nur aus. So viel habe ich für das Ticket für die restliche Strecke von ca. 500 km bis nach Aktau bezahlt und auch wenn mich die umgerechnet 12 Franken wohl kaum geschmerzt hätten, sollte einfach keiner mit einer solchen Tour durchkommen. Ich habe es alles nett auf Englisch nochmals erklärt, ihm die 200 Tenge in die Hand gedrückt und bin gegangen. Sein Gesicht hat so ungefähr augedrückt… “Ein Versuch wars wert.”

Verkehr am frühen Morgen.

Die letzte Zwischenstation war ein kleines Dorf von dort her hatte ich einen “Obschiwagon” oder so etwas ähnliches gebucht. Die Verkäuferin hatte mich mitleidig angeschaut und gemeint, dass nichts anderes mehr verfügbar ist. Der Schaffner zeigte einen noch bestürzteren Gesichtsausdruck. Ich fragte mich warum. Der Wagen war einigermassen sauber, etwas überfüllt und hielt ganz klar die Unterschicht, aber er war in Ordnung. Da ich müde war, legte ich mich um 11 Uhr in dem Bett schlafen, das mir der Schaffner netter Weise zugewiesen hatte. Ich schlummerte friedlich, bis um ein Uhr morgens gab es plötzlich Getrampel, dann Gekreische zu hören war. Die Frau mir gegenüber schien aus dem Bett gezerrt zu werden und der Wagen füllte und füllte und füllte sich. Neben mir rangelten plötzlich zwei Männer. Es wurde noch heisser, noch stickiger und die Stimmung hatte etwas panikartiges, aber ich wurde zum Glück auf meiner Pritsche gelassen.

Warten auf den nächsten Zug. Die aufgehende Sonne spiegelt sich in den Wagons wieder.

Und dann war es morgen und ich war am Kaspischen Meer und die ganzen Strapazen waren mehr oder weniger vergessen. Ich rannte zur Migration, zur Botschaft von Azerbaijan und zum Reisebüro, um mich auf die Warteliste für die Fähre zu setzen. Leider gibt es keinen Fahrplan dafür und ich werde jene, die heute Abend ablegt verpassen, denn mein Visum ist leider noch nicht bereit.

Zu guter Letzt erreichte ich die Wohnung des Couchsurfers, den ich kontaktiert hatte.

“Möchtest du eine Dusche nehmen?”

Ich glaube etwas netteres hätte er zur Begrüssung nicht sagen können.

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One Response to Abgeschleppt und eingepfercht

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