Ich durfte für vier Tage mit nach Kovilpatti, um in kleinen Dörfern Befragungen bezüglich Gebrauch von einheimischen Holzarten durchzuführen. Von den Befragungen habe ich leider nicht viel verstanden, denn die Unterhaltungen fanden alle samt auf Tamil statt, aber ich habe einen guten Einblick ins ländliche Leben erhalten. Das Einschneidendste waren allerdings 6 Stunden Wartezeit am Busbahnhof in Madurai.

Ansichten eines Dorfes (=Patti).
15 Uhr: Ankunft am Busbahnhof. Ich überdenke meinen Vorsatz so wenig wie möglich zu fliegen eindeutig nochmals und erinnere mich gleichzeitig an die kleinen Dörfer unterwegs, wo es keine Toiletten gibt. Hoffentlich habe ich dasselbe Problem nicht auch hier? Männer können sich schnell mal am nächsten Busch entledigen, doch bezüglich Frauen ist es hier eindeutig verklemmter. Ich bin also leicht dehydriert weil ich mir nicht erlauben konnte dauernd aufs WC zu rennen.
15.10 Uhr: Die ersten 5 Bettler sind mit einem langsam resoluter werdenden chalo! (geh!) abgewimmelt.
15.20 Uhr: Eine Collegestudentin lächelt mich an, ich lächle zurück, sie lässt mich mit ihren Augen nicht mehr los. Erste Avancen einer Inderin. Zwecks meines festen Entschlusses mich nicht näher mit Männern einzulassen, kommt unweigerlich die Frage auf, ob das auch für Frauen gilt. Ja, die Antwort. Ihre zwei kichernden Kolleginnen unterhalten sich mit mir, ich erhalte einen Handkuss zum Abschied.

Blumen zu langen Girlanden (=Huvina Maale in Kanada, der lokalen Sprache in Bangalore) gebunden. Sie haben eine religiöse Bedeutung.
16.00 Uhr: Ich bin wieder alleine, schaue eine Weile zu, wie Huvina Maale hergestellt werden, geniesse die Zeit zum Nachdenken über die Feldarbeit der vergangenen Tage: Warum ist es so normal, dass Frauen für dieselbe Arbeit 100 Rs pro Tag erhalten, während Männer mit 150 Rs rechnen können? – Wieder Bettler, zwei Mädchen, die bestimmt mehr als 100 Rs pro Tag verdienen. Ein Problem? Weiterer Gedankensprung: Wer liest das hier überhaupt? Ich lache innerlich.

Herstellung von Kohle am Strassenrand. Vorne: Fertige Kohle, Mitte: Die eigentliche Herstellung bei einer bestimmten Temperatur (Fragt mich nicht, wie die das Messen, wird wohl Erfahrung sein), Hinten: Das zur Kohleherstellung bereitliegende Holz.
16.15 Uhr: Ist das anstrengend… Jeder scheint mit mir jeden zu wollen. Werde ich zurück in der Schweiz ein Aufmerksamkeitsdefizit haben, wenn ich mal ganz normal behandelt werde? Wie schaffe ich es jemals genug Privatsphäre auf meiner Reise zu haben? Wohl gar nicht. Zumindest wenn ich weiterhin mit den Einheimischen reise, die günstigen Busse nehme…
17 Uhr: Ich bin einmal mehr froh dicke Wanderschuhe mit hohem Profil zu besitzen. Zumindest, wenn man ein öffentliches WC besuchen muss. Beim hinausgehen wurden sie mir dann noch mit Wasser überschwemmt. Gegen den Gestank hat mich zum Glück der Besuch der Zürcher Kanalisation gewappnet. Da gibt e Einheimische, die sensibler zu sein scheinen. Hygienisch gesehen, sollte es allerdings in Ordnung sein.
17 – 18.30 Uhr: Ein Buch und ein Brief geben mir erstmals eine Verschnaufpause.
18.33 Uhr: Ich erkunde den Busbahnhof, der mehr wie ein Marktplatz erscheint und sollte endlich lernen nein zu sagen. Ich habe nicht jene Bananen bekommen, die ich haben wollte, sondern andere erhalten, die gelinde ausgedrückt nicht so schön waren. Dafür das Doppelte bezahlt.
18.40 Uhr: Jemand will mir die Hand schütteln und lässt sie kaum mehr los. Ich muss sie fast zurück reissen. Was lernt man daraus? Man muss auch nicht immer höflich sein und alles tun, was die Leute wollen. Also wenn ich hier alleine überleben will, dann muss ich noch sehr viel lernen, was ich wohl auch tun werde.

Die Paparazza mal selber erwischt. Foto gemacht von Chandan.
Zurück in Bangalore war ich froh nicht mehr so aufzufallen. Stattdessen hatte ich die Möglichkeit mir eine Modeschau und ein Tanztheater anzuschauen, was beides ausgezeichnet war. Aber Bangalore ist auch eine internationale Stadt.