Zuerst eine kurze Anmerkung für all jene, die noch nie etwas vom Transasia”express” gehört haben: Früher ging dieser Zug von Istanbul nach Teheran, inzwischen fährt er aber in Ankara los. Jede Woche am Mittwoch morgen. Am Freitag Abend, aber meistens spät in der Nacht oder sogar Samstag früh kommt er in Teheran an. Dazwischen liegt der Vansee. Dort wird ein teil der Wagons verladen und der See per Fähre überquert.
Könnt ihr euch vorstellen, was für einen morgendlichen Schock ich durchlebt habe, als in der Metro in Ankara die Uhr eine Stunde vor ging? Zum Glück war ich für einmal sehr früh dran, aber ich habe mir dennoch bereits ausgemalt, wie ich in einem Taxi gerade kurz vor Abfahrt den Transasiaexpress noch erreiche oder ihm gar hinterher fahre.
Zum Glück war es wirklich nur die Uhr und ich war viel zu früh da. Gleich traf ich auf zwei Norweger. Ich war also nicht die einzige Touristin. Kurz darauf fing mich der Kontrolleur mit dem Wort “Problem” ab, als ich sagte, dass ich alleine unterwegs bin. Allerdings vermochte mich das nicht weiter in Aufregung zu versetzen, denn meist bedeutet dieses Wort auch gleich die Lösung des Problems. In diesem Fall steckte er mich mit drei anderen alleine reisenden Frauen in ein Abteil.
Ich stelle vor Nasim, eine 31-jährige Chinesin, die wie alle Chinesen jeweils auch einen Namen aus dem Land trägt in dem sie sich gerade befindet. Sie arbeitet in einem Startup und ist schon in den verschiedensten Ländern gewesen. Allerdings meist auf Kurztrips. Ida, eine 19-jährige Deutsche Studentin und stille, aber wissbegierige Beobachterin und nennen wir sie Mahsa eine Iranerin. Mahsa hat denselben Jahrgang wie Nasim, spricht nicht sehr gut Englisch und ist eine sehr faszinierende Persönlichkeit. Sie spricht immer (60 Stunden am Stück), entschuldigt sich für alles und versucht uns geduldig die ersten Brocken Farsi beizubringen. Sie kommt aus einer Künstlerfamilie. Mutter und Bruder sind Poeten. Eine interessante Geschichte. Aber alles sollte ich an dieser Stelle nicht erzählen. Sie ist so nervös. Vor allem vor der Grenze. Sie wiederholt sich sehr oft. „Don’t worry“ im Sekundentakt, bis ich mir wirklich Sorgen zu machen beginne. Aber sie sagt es zu sich selbst, war in psychologischer Behandlung und meint es eigentlich unglaublich gut. Auch ist sie sehr intelligent. Ich wünschte einmal mehr, dass ich die Sprache des Landes sprechen könnte, denn erstens befindet sich hinter dieser Person eine faszinierende Geschichte, zweitens bräuchte sie jemanden, der ihr zuhört.
Im Speisewagen verwächst man zu einer einzigen grossen Familie. Er qualmt nur so über weil alle am Rauchen sind. Da das Essen, aber sowieso keinen Preis gewinnen könnte, ändert das auch nicht viel. Auf jeden Fall werde ich immer entspannter, was meine Reise in den Iran betrifft. Ich glaube es ist ein sehr gastfreundliches Land und die Zugfahrt alleine ist schon ein richtiges Erlebnis. Jedes Mal, wenn ich aus dem Fenster schaue hat sich die Landschaft wieder verändert. Ein Winterwunderland zieht an uns draussen vorbei.

Ein interessanter Deutscher, der vor allem von seiner Reise im Irak erzählt hat. Ein Historiker mit sehr grossem Wissensschatz, den wir anzapfen konnten. Dahinter die verschneiten Berge und wie immer die türkische Flagge auf dem Fenster.
Nähert man sich erstmals Van wird er noch besser. Ein Wagen wird auf den Zug verladen, während wir die Schneebedeckten Gipfel der umliegenden Berge betrachten. Der See dazwischen ist so gross, dass wir das andere Ufer nicht sehen können. Die Gruppen durchmischen sich hier noch mehr. Die Iraner singen. Dann werden Tänze vorgeführt. Erst die Iraner, dann die zwei Norweger und zum Schluss noch Breakdance von Lukas. Besonders bei letzterem sind alle hell-auf begeistert. Grosser Applaus.
Und natürlich machen alle Fotos. Wobei diese unglaubliche Schönheit einfach nicht in einem Bild zu erfassen ist. Alleine für diesen Moment hat sich diese Reise schon mehr als gelohnt. Wir diskutieren, lachen und frieren nur zu gerne, um auch noch die letzten Sonnenstrahlen zu erwischen.
Auf dem See gibt Saeen noch eine Flasche Wein aus, bevor wir den Iran erreichen, wo absolutes Alkoholverbot herrscht. Keiner ist wohl so wahnsinnig da etwas schmuggeln zu wollen. Denn an der Grenze wird sämtliches Gepäck in einem mehrstündigen Prozedere von Hand durchsucht.
Auf der anderen Seite des Vansees wartet der Iranische Zug auf uns. Er raucht und dampft, wie in den alten Filmen. Ein Stück Nostalgie. Wir werden mit Tee empfangen und Nasim und ich bekommen ein herrliches Essen vorgesetzt. Safranreis mit getrockneten Johanisbeeren und einem Hähnchenschenkel. Vor allem im Vergleich zu den Chatchup-Toasts auf der Fähre, die ich verweigert hatte, ein Traum. Aber die Abteils sind unendlich heiss. Einmal mehr mache ich mir Sorgen um meine Schokolade.
Dann kommt der Grenzübergang. Ab jetzt heisst es Kopftuch und lange Kleidung (mindestens der Hintern muss bedeckt sein, aber meine Recherchen haben ergeben, dass eigentlich bis Mitte Oberschenkel die Regel ist, doch bei Touristen sehen das alle nicht so eng). Mitten in der Nacht müssen wir einmal auf der türkischen Seite aussteigen. Zwei Stunden später erreichen wir die Iranische Grenze. Der Morgen dämmert. Wir müssen sämtliches Gepäck aus dem Zug hinaus tragen und unsere Pässe werden eingesammelt. Wir warten komplett verschlafen. Irgendwann kommen die Pässe zurück und es bildet sich eine Schlange vor der Kontrolle. Inzwischen tauschen wir etwas Geld, doch der Wechselkurs hier ist deutlich schlechter als in Teheran. Also werden wir einfach unsere türkischen Liras los.
In Tabriz steigen viele der Reisenden aus und ich würde das tendenziell auch empfehlen. Eine kurze Verschnaufpause tut ganz gut, denn dadurch kann man vermeiden mitten in der Nacht in Teheran anzukommen. Wir waren zumindest um 3 Uhr morgens dort, konnten aber nicht wirklich schlafen, da wir um 1.30 Uhr bereits geweckt und aus dem Bett gescheucht wurden, damit der Wagon aufgeräumt werden konnten. Zum Glück waren allerdings meine Couchsurfer noch wach, sodass mich Nazims Freunde vor ihrem Haus abladen konnten und ich endlich ein richtiges Bett, aber noch lange keinen Schlaf fand.