Eigentlich hiess es, dass ich die „Visa reference number“ – das ist wie ein Einladungsschreiben, das zumindest bei der Iranischen Botschaft in Istanbul unerlässlich ist, um ein Visum zu erhalten – erst am 28.2. eintreffen würde. Ich fiel also aus allen Wolken, als sie am Wochenende da war. Folglich stand ich am Montag Morgen um 8.20 Uhr, zehn Minuten bevor das Konsulat öffnet in einer Schlange. Meine Kleidung entsprach bereits den Anforderungen, welche auch im Iran eingehalten werden müssen und ich wurde von allen auf Farsi angesprochen. (Bilder folgen, wenn ich mal jemanden finde, der mich damit ablichtet)
Irgendwie schien an jenem Tag jede, die eine Auskunft wollte zu mir zu kommen. Ich freute mich, dass ich es wohl nicht so schlecht getroffen habe mit meiner Kleiderwahl und warte. Obwohl ich die Nummer 401 gezogen habe, was Polposition für den Visumsschalter bedeutet, passiert nichts. Ich habe also mehr als genügend Zeit das Formular auszufüllen, welches ich in die Hand gedrückt bekommen habe. Sogar die Postadresse der Reisegesellschaft kann ich per SMS noch erfragen. Irgendwann, ein alter Brasilianer versucht gerade über mich einen Job in der Schweiz zu ergattern, blinkt meine Nummer endlich auf.
„Your reference number does not exist.“
Werde ich vom sehr effizienten Angestellten hinter dem Schalter informiert.
„Not possible.“
Entgegne ich.
„Wait?“
„Where?“
„Wait.“
Ich setze mich also wieder hin und warte. Nach einiger Zeit des nichts geschehens Nummer 407 ist gerade durch, stelle ich mich penetrant neben den Schalter.
„Give me your number.“
Meldet sich der Beamte dann endlich bei mir. Ich schreibe ihm die Nummer auf, während er mich wieder bittet zu warten. Dieses Mal bleibe ich direkt neben dem Schalter stehen. Eine gefühlte Ewigkeit später entschuldigt er sich. Es klingt so, als wäre bei ihnen etwas schief gelaufen. Sprich langsam lasse ich die erste Vorfreude zu. Kurze Zeit später hat er meine Nummer gefunden. Jetzt geht alles unglaublich schnell. Ich bringe ihm bei, dass ich das Visum unbedingt am nächsten Tag schon brauche, damit ich den einmal pro Woche fahrenden „Transasiaexpress“ von Ankara nach Tehran erwische.
„No problem.“
Meint er nur, ich könne am folgenden Tag um 11 Uhr das Visum abholen. Jetzt muss ich nur noch bei der Bank gegenüber die 50 Euro Gebühren bezahlen und morgen meinen Pass wieder abholen.
Beschwingt von dieser guten Nachricht verlasse ich die Botschaft und wage mich gar zur Hagia Sophia hoch in den Touristenbereich, den ich bisher gemieden hatte, doch fühle ich mich gerade so glücklich, dass ich es wage. Nachdem mich verschiedenste Leute versucht haben in einen Touristenbus zu drängen und ich einen Teppich ausschlagen musste, hatte ich aber schon wieder die Nase voll.
Lieber ging ich in Karaköy in die trendigen Cafés rein, wo sich Touristen und hippe Einheimische gleichermassen versammeln. Vorher buche ich aber noch in Sirkeci (dem Bahnhof auf der Europäischen Seite Istanbuls) das Ticket für den Zug von Ankara nach Istanbul. Wie erwartet gibt es zu dieser Jahreszeit auch noch zwei Tage vor Abfahrt Tickets. Ich bezahle rund 140 Lira, was gefühlt 60 Franken entspricht und hoffe, dass das mit dem Visum wirklich klappt.
Rund 12 Stunden später habe ich das Visum in der Hand. Ich frohlocke und kaufe mir ein Ticket für den Hochgeschwindigkeitszug von Istanbul nach Ankara. Wobei man noch vorsichtig sein muss, denn der Zug verlässt Istanbul in Pendik, sprich mindestens 1.5 Stunden von Sirkeci aus. Das ausgerechnet der Erwerb dieses Tickets die grössten Probleme darstellen könnte, hätte ich allerdings nicht gedacht. Die Frau hinter dem Schalter ist nämlich gerade dabei Whatsapp-Nachrichten zu schreiben und will sichtlich nicht unterbrochen werden. Das ich störe bekomme ich eindeutig zu spüren. Sie macht den Eindruck zu überlegen, ob sie mich gar nicht bedienen soll, da sie aber hinter dem einzigen offenen Schalter sitzt, hat sie wohl keine Wahl. Nach jedem Mal, bei dem sie mir wieder ein Wort mitgeteilt hat und festgestellt, dass ich noch immer nicht aufgegeben habe, nimmt sie ihr Telefon und tippt daran gemütlich weiter.
„Passport.“
Meint sie so unfreundlich, wie möglich, nachdem ich ihr endlich mitteilen konnte welchen Zug ich möchte. Ich gebe ihr den Pass und sie schaut das iranische Visum an.
„Name.“
Meint sie ungeduldig. Ich versuche ihr zu zeigen, dass sie blättern soll, aber dafür müsste sie aufschauen.
„No.“
Entscheidet sie und gibt mir den Pass zurück. Ich schlage ihr die richtige Seite auf und erhalte tatsächlich ein Ticket, nach dem ich ihr den exakten Betrag hingelegt habe, denn sie gibt kein Wechselgeld. Zum Schluss lächelt sie mir ein Lächeln zu, das sehr wohl heissen könnte: „Jetzt kann ich ja wieder lächeln, da ich endlich meine Ruhe habe.“ Man stelle sich bloss mal vor man hätte eine Sekretärin, die so arbeitet.
Etwas später sitze ich im Hochgeschwindigkeitszug von Istanbul nach Ankara. Er „rast“ mit absolut konstant 110 km/h durch die städtischen Gebiete, später schraubt er bis 250 km/h hoch. Was ihn wohl aber wirklich besonders macht ist, dass er absolut pünktlich ist. Zudem wird man vorher wie im Flugzeug kontrolliert und muss auch frühzeitig dort sein. Warum man die Vorzüge des Zugs im letzten Augenblick daher gerannt zu kommen und sich einfach irgendwo hin zu setzen so einfach zu Nichte macht, kann ich mir allerdings nicht erklären. Aber es wirkt zumindest alles sehr professionell und das scheinen die Leute zu wollen. Zumindest jene, die bereit sind für diese Strecke 70 Lira zu bezahlen (vergleiche 140 Lira für Ankara – Teheran). Zeit ist bekanntlich Geld. Ich kann den Zug aber auf alle Fälle empfehlen. Die Landschaft ist viel besser zu sehen, als aus dem Bus und bereits hier sehr schön.
So in diesem Sinne steige ich dann morgen Mittwoch um 10 Uhr in den Zug nach Teheran und sollte am Freitag um 20 Uhr dort ankommen. Es kann aber auch 4 Uhr morgens werden, denn dieser Zug ist eben schon etwas älter, genau wie die Strecke. Aber ich bin sehr sehr gespannt und freue mich wie ein kleines Kind.