Die Pendelstrecke oder in 58 Stunden von Zürich nach Istanbul

Zum Dritten mal fahre ich nun die Strecke Zürich – Istanbul oder umgekehrt und jedes Mal wirkt sie anders. Das Tor dazu ist immer Budapest.

Die Rettung einer Statue? Gefunden in einem ziemlich heruntergekommenen Quartier hinter dem Bahnhof in Budapest.

Heute ist alles in ein winterlich-weisses Kleid gehüllt. Die Landschaft breitet sich unschuldig in der Morgensonne aus. Ich bin die einzige Passagierin des ganzen Wagens, habe sechs Betten für mich und eine Kondukteurin, sowie einen Kondukteur. Wobei sich die Kondukteurin sehr gut um mich kümmert und den Herrn gar nicht in meine Nähe lässt.

Blick aus dem Zug: Wäre es so, wenn ich mich im Winter auf das Abenteuer transsibirische Eisenbahn einlassen würde?

Ich bin mir auch sicher, dass sie mir die Frau zur Grenzkontrolle vorbeigesendet hat. Ich habe den Vorhang geschlossen, wie ich es in der Türkei gelernt habe und schaue nur durch das andere Fenster nach draussen. Dadurch entsteht eine eigene kleine Welt. Es empfiehlt sich eigentlich in jedem Land in dem eine Frau alleine unterwegs war, sobald keine anderen Frauen da sind. Eine offene Tür wird einfach zu schnell als Einladung interpretiert. Seis drum ich bin absolut unbehelligt, habe meinen ganzen Kram hier im Abteil verbreitet und mein Essen rationiert, denn ich hatte in vager Erinnerung, dass es keinen Speisewagen oder ähnliches gibt. Die Erinnerung hat mich nicht getrügt. 22 Stunden Selbstversorgung. Es gab Banane, Orange, Sesamcrackers, Ungarische (leicht scharfe herrlich schmeckende) Würstchen, ein interessantes Blätterteigbrötchen von Lipot (einer wohl bekannten Bäckerei in Budapest mit der einzigen unfreundlichen Bedienung, die ich in Ungarn bisher erlebt habe), Linzerkekse, eine Packungs Chips, 3 l Wasser und ein Bier. Besonders das Wasser ist wichtig, denn in dem Wagen wird so fest geheizt, dass ich Angst habe, dass meine Schokolade gleich davon schmilzt. Auch hier langsam vor sich hin zu dehydrieren stelle ich mir nicht lustig vor. Obwohl es einen Hebel zur Regulierung der Heizung hat, den ich auf Minimum gestellt habe, hilft nur das Lüften von Zeit zu Zeit, um nicht ganz zu schmelzen.

Nach einem ganzen Tag bei eisiger Kälte in Budapest. Dennoch war es eine gute Entscheidung hier einen Aufenthalt von 10 Stunden einzuplanen, denn nur bis 6 Stunden vor Zugabfahrt lassen sich Schlafabteile buchen.

Ich möchte mich allerdings nicht zu sehr über die Wärme beklagen, denn nach 10 Stunden Aufenthalt in Budapest, die ich zwar genossen habe, die aber eisig kalt waren und nur zu bewältigen indem ich mich von Restaurant zu Tram, zu Galerie, zu Laden durchgeschlagen habe, bin ich ganz froh drüber.

Galerie mit hippen Cafes und einer Kunstausstellung privater Sammlungen, wo ich wenigstens zwischendurch eine halbe Stunde auf einem Stuhl schlafen konnte.

Eigentlich dachte ich, dass ich diese Strecke kennen würde, doch fahren wir statt über Serbien über Rumänien. Kein grosser Unterschied dachte ich mir, die ich mich schon mit der Eintönigkeit der Landschaft abgefunden hatte. Plötzlich schaue ich aus dem Fenster. Alles hat sich verändert. Ein Fluss, der sich durch beeindruckende Felsen gefressen hat, windet sich zu Füssen des Zugs entlang.

Vorbeiziehende Landschaft in Rumänien. Bein einer Zugfahrt ist zu empfehlen darauf zu achten hier bei Tageslicht durchzukommen. Bei einem Zug pro Tag bleibt allerdings auch nur bedingt eine Wahl.

Kleine Dörfer, wo viele Menschen einsteigen, nur nicht in meinen Wagen. Hier bleibe ich alleine. Die Mehrklassengesellschaft und die Frage, wie das rentieren kann.

Bahnwärterhaus weit weg von allem.

In Sofia treffe ich zum Glück auf zwei junge Frauen aus Deutschland, die ebenfalls nach Istanbul unterwegs sind, denn auf dem Weg nach Istanbul steht eine Stunde Wartezeit mitten in der Nacht an der Grenze an. Einer der eher unangenehmen Übergänge in meiner Erinnerung, doch dieses Mal anders, denn es ist bitter kalt. Wir und die Grenzbeamten frieren zusammen und das verbindet. Noch nie zuvor wurden wir so schnell und freundlich durchgewunken. Und dann gehts weiter in einem kleinen Bus mit Eisblumen an den Fenstern.

Skyline der verschneiten europäischen Seite Istanbuls.

In Istanbul erwartet mich Sarp – der Couchsurfer, den ich bei der letzten Reise kennen gelernt habe. Wir stapfen gemeinsam durch den Schnee, der langsam schmilzt. Er hat frei, denn wenn hier Schnee liegt, steht alles still. Keine Uni, viele gehen nicht zur Arbeit, aber zum Glück fährt die Metro dennoch. Sprich eigentlich würde alles funktionieren, aber vielleicht ist es einfach noch eine Tradition in so einem Moment frei zu haben und ich freue mich auf interessante Diskussionen mit Sarp und seiner Freundin über Gott und die Welt im wahrsten Sinne des Wortes.

Schnee am Bosporus.

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5 Responses to Die Pendelstrecke oder in 58 Stunden von Zürich nach Istanbul

  1. Erika Schmid says:

    Sehr schöne Fotos – spannende Reise!

  2. René says:

    Istanbul? Schnee? Da kann man nur noch in Hamam gehen 😉 Vielen Dank für den spannenden Reisebericht. Ja, es ist toll, was man nicht alles sieht, wenn man die ganze Zeit aus dem Fenster schaut und fern sieht 😉

  3. Bernhard says:

    Deine Formulierungen sind so schön wie die Fotos!

  4. Barbara says:

    Das find ich au… Herzlichi Grüess und heb dir sorg…

  5. mariane says:

    Merci für die Kommentare. Ich habe mich sehr gefreut. 🙂

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