Keine Internet-, dafuer Zugverbindung

Es ist seltsam. In der heutigen Zeit mehr oder weniger abgeschnitten von der Kommunikation zu sein. Mein Fahrplan für den Zug ist riesig, gedruckt auf Papier. Er enthält sämtliche Verbindungen in Indien. Entgegen vielem anderen hier ist er überaus systematisch, geradezu intuitiv mit einer kleinen Einführung “how to use” am Anfang versehen. Komplizierter wird es allerdings, wenn dann tatsächlich ein Ticket gebucht werden muss. Eigentlich ginge das relativ einfach online, doch das wurde inzwischen für Touristen fast unmöglich, da fast keine Kreditkarten akzeptiert werden. Das hat zur Folge, dass ich jedes Mal zum Schalter gehen muss. Davor empfiehlt es sich allerdings den Terminal neben dem Schalter zu verwenden. Hier gibt es 3 Optionen. Die erste ist die Abfrage der Ticketverfügbarkeit in einem Zug. Die dritte die Abfrage des aktuellen Platzes in der Warteliste (WL). Die zweite Option ist für Tatkal – last minute tickets gegen einen Aufpreis. Diese Maschine ist wohl DOS-basiert und hat die Möglichkeit über die Zugnummer (nur über das Kursbuch oder Inernet erhältlich) und die Haltestelle eine Abfrage zu machen. Wird eine Zahl falsch angegeben, startet die ganze Abfrage neu. Meist funktioieren die Ziffern. Nicht aber in Bangalore. Ich brauchte etwas mehr als dreissig Versuche. Eine Korrekturfunktion habe ich noch nicht entdeckt. Dasselbe gilt für die Angabe der Haltestelle und das Datum. Mehr kann nicht eingegeben werden. Eine direkte Reservation war bisher eher selten möglich, da auf einzelnen Stecken Billets oft weit im voraus ausgebucht sind das heisst, ich entscheide mich für eine Klasse, für welche die Warteliste nicht all zu lange ist und gehe zum Schalter. Dort steht eine Schlange. Diese Schlange verhält sich nicht immer in gewünschter Reihenfolge, aber es ist deutlich einfacher vorne anzugelangen, als in China. Die Person hinter dem Schalter wirkt anfangs meist mürrisch, entpuppt sich aber fast immer als sehr hilfreich und kompetent.

Blick aus dem Zug auf die Backwaters in Kerala. Es wird langsam waermer.

Auf jeden Fall habe ich für morgen ein Ticket erworben mit WL/42 WL/9. Das alles zu erklären würde etwas lange dauern, doch ich bin über eine gute Homepage gestolpert, die ich jeder Person empfehlen würde, die sich in diesem Dschungel noch nicht auskennt und eine Reise hierher wagt. Der spannende Countdown beginnt. Kann ich zur Hochzeit nach Kochi fahren oder muss ich spontan noch einen Bus buchen? Seit heute Mittag weiss ich, dass ich fahren kann. Allerdings ohne Bett. Ich wurde nämlich von WL zu Reservation on Cancellation (RAC) 49 umgebucht. Sprich wenn noch weitere 49 Personen ihre Reservation tilgen, dann bekomme ich ein Bett. Sonst teile ich mir ein Bett als Sitzpaltz mit einer Person. Wie das genau funktioniert ist mir schleierhaft in der letzten Stunde bin ich immerhin schon auf RAC 42 vorgerueckt, aber wieder auf RAC44 zurückgefallen. Eigentlich ganz spannend. Seit ich weiss, dass ich auf jeden Fall mit dem Zug mitfahren kann bin ich aber einigermassen entspannt (Zumindest hoffe ich, dass man von RAC nicht auf WL zurückfalle kann, denn WL-Tickets bedeuten: keine Mitfahrberechtigung). Ohne Mitfahrberechtigung bekommt man zwar das Geld zurueck, aber ich hoffe ich werde nie herausfinden muessen, wie das geht. Die Alternative Bus ist in meinen Augen nicht sehr berauschend. Die Strassen sind dafür mit zu grossen Löchern versehen und es ist deutlich teurer. Die stark angestiegenen Benzinpreise machen sich eindeutig bemerkbar. Auch beim mit Rikjas durch die Stadt fahren zeigt sich das. Diese Woche gab es daher auch schon Demonstrationen. Die Nahrungsmittelpreise seien ebenfalls angestiegen. Ich vermeide allerdings Diskussionen darüber, denn meine Ansichten dazu scheiden sich ein wenig von vielen Indern.

Einspurig; warten auf den Zug, der vorbei faehrt.

Vor drei Jahren wurde ich in der Sleeper Class noch regelmäßig von Menschen belagert. Das hat sich geändert. Die Menschen scheinen sich an den Anblick von Touristen gewöhnt zu haben. Eine Episode gab es aber trotzdem noch. Am Bahnhof in Bangalore traf ich im Wartesaal auf eine Gruppe Mädchen. Das Volleyball Team von Kerala. Sie fuhren gerade zu einem Turnier und warteten 8 Stunden auf den Anschlusszug. Natürlich stürzten sie sich auf mich.

“Where are you from? What is your Name? Are you married?”

Die ersten drei Fragen. In Kasachstan hatte ich gelernt auch Frauen mit ja auf diese Frage zu antworten. Mein yes löste geradezu Entzücken aus. Bald mischte sich verlegenes Gemurmel darunter. Schlussendlich traute sich das Mädchen, das sich auch meinen Hut geschnappt hatte.

“Love Marriage*?”

“Yes.”

Alle sind begeistert. Ihre Augen leuchten freudig auf und einige klatschen gar aufgeregt in die Hände. Sie wirken glücklich für mich oder träumen für sich von einer so genannten Love Marriage.

* So weit ich das inzwischen verstanden habe, bleibt Indern und Inderinnen bis zu einem gewissen Alter Zeit sich zu verlieben und zu heiraten. Ist dieses Alter überschritten greifen die Eltern ein und machen sich über einen kurzen Fragebogen, der vor allem alle Familiendetails enthält, auf die Suche. Daneben werden noch zwei Fotos mitgesendet. Hobbys und Geburtsdatum sind auch darauf und natürlich, ob die Geschwister schon verheiratet sind. Frauen kommen zuerst zum Zug. Dem Alter nach, dann dasselbe bei den Männern.

This entry was posted in Aussereurapäisch, Deutsch, India Bhutan Nepal 2014. Bookmark the permalink.

Leave a Reply

Your email address will not be published. Required fields are marked *