Um ca. drei Uhr morgens stapfte ich voll bepackt zum Bahnhof in Irkutsk und legte den zweiten Teil meiner Reise mit der Transsibirischen Eisenbahn zurück. Er war richtig schön ereignislos.* Ich hatte einfach eine gemütliche Zeit, hin und wieder bekam ich neue Mitfahrerinnen, manchmal wurde ich in die Diskussion integriert, manchmal nicht. Die Landschaft zog gemächlich vorbei, ich stieg öfters aus, spielte auf meinem E-reader Schach, weil es einfach irgendwie nach Russland passte und las die Doktorarbeit meines Betreuers durch. Wann hat man sonst schon Zeit für so etwas? Daneben vergass ich irgendwie ein bisschen das Essen. Jetzt, wo mich Sveta nicht mitschleppte und schlief einfach**.
Das Wetter wurde grauer und wärmer. Bis ich Moskau erreichte, wo Lana auf mich warten wollte. Natürlich hatte ich ihre Nummer nicht. Und Lana war nicht da. Und Lana kam auch nicht. Wo also warten? Wir hatten keinen genaue Treffpunkt ausgemacht und ich kam durch diese Ein-Weg-Tür nicht mehr zu den Gleisen. Gut gemacht Mariane! Hungrig von drei Tagen Unterernährung, also auch nicht gerade mit Geduld gesegnet begann leichte Panik in mir aufzukeimen, obwohl ich Lana genug kenne, um zu wissen, dass sie irgendwann auftauchen würde, aber vielleicht hatten wir uns missverstanden.
Irgendwann rief ich verzweifelt Nico an und siehe da in dem Moment sehe ich einen blauen Schopf auftauchen und in den Menschenmassen verschwinden. Das konnte nur Lana sein. Ich wollte hinterher hechten, doch da war noch dieser Wachmann, der sich nicht dazu bewegen liess mich durch zu lassen. Ich winkte also und rief und nachdem ich genug rumgehampelt war, sah sie mich dann auch. Das wäre ja noch lustig gewesen, wenn ich sie zwar vorbeihuschen, aber nicht hätte treffen können.
Lana, die Künstlerin, die ich 2011 in Georgien getroffen hatte und die wieder zu sehen ich mich schon ewig gefreut hatte, wohnt in einem Vorort von Moskau und hatte sich gerade die Haare blau gefärbt. Es passt perfekt zu meinem Bild von ihr und obwohl sich Moskau bei besagten zwei Grad im Tau-modus befand und dabei sehr grau wirkte, machten wir nachdem ich endlich etwas gegessen hatte, einen spannenden Spaziergang an allen möglichen Kunstwerken vorbei bis zum Kreml.
Danach ging es nach Hause zu Lana, wo ich ihren Mann kennen lernte und mich einfach freute mal wieder zu kochen. Da ich gerne kochte und sie gerne assen (vor allem Salat), war das eine Win-Win-Situation. Daneben machten wir Spaziergänge über eisige Flächen rund um das kleine Dort in dem Lana lebt. Sie zeigte mir die Bachwindung, wo sie geheiratet hatten und die Schaukel, die sie installiert hatten dafür. Sie war das einzige, was die Leute stehen gelassen hatten, denn sie baumelt direkt über dem Bach und ist dadurch gar nicht so einfach erreichbar. Die Brücken, die auch einfach jemand für die Gemeinschaft aufgebaut hat, wurden zum Glück stehen gelassen.
Wir besuchten den Markt und es war alles irgendwie erholsam. Dazwischen machte ich Ausflüge nach Moskau, während Lana arbeitete und ihr Mann sich leider verletzte. Danach habe ich Mimosa (die Grossmutter der Mädchen, die ich in Georgien getroffen hatte) endlich wieder gesehen und bin voll im Flow von Moskau aufgegangen. Danach kam plötzlich die Hiobsbotschaft, dass keine Ausländer durch Weissrussland fahren dürfen. Ich hatte aber mein Ticket schon. Aber da ich kurz zuvor einem Reisenden einen langen Vortrag gehalten, dass man nie glauben sollte, was im Internet steht über Einreisen, konnte ich keinen Rückzieher machen. So getan und gewonnen.
* Nur einmal wurde es brenzlig.
Mitreisende: “Da ist ein Fehler auf deiner Karte. Krim ist nicht darauf.”
Ich: “Aber das ist doch eine Karte zur Transsibirischen Eisenbahn. Da gehört das doch nicht mit drauf.” – phu…
Mitreisende – ziemlich emotional: “Ja, endlich ist es bei uns zurück. Krim gehört uns.”
Ich: Dezentes Schweigen. Ich kenne die Sachlage nicht ausreichend und um nachzufragen und zu diskutieren ist ihr Englisch dann doch nicht gut genug. Aber sie hat Familie dort. Sprich das hat eben auch eine Vorgeschichte.
** Wobei ich mir eine Trachitis und vielleicht sogar eine Lungenentzündung zugezogen hatte beim Herumlaufen in Irkutsk. Das entging allerdings meiner Beobachtungsgabe.