Kaum etwas kann in meinen Augen Japan besser erklären, als diese kleine Episode aus Beppu. Wenn man etwas tun möchte, was gegen das geht, was die Japaner als «common sense» anschauen, dann geht es nicht. Stellt man also eine Frage wie darf ich auf diesen Berg klettern und sie halten es für zu gefährlich, dann antworten sie selbst wenn es kein Verbot gibt mit «es gibt ein gutes Onsen in der Nähe, geh doch dort hin.» Sie können also komplett die Frage ignorieren und das liegt in dem Fall nicht daran, dass sie das Englisch nicht verstehen.
In Beppu wollten Nico und unsere gerade geschlossene Zürcher Bekanntschaft schwimmen gehen und haben daher an der Touristeninformation gefragt, ob das möglich ist.
Sie in bestem Englisch für eine Japanerin überraschend direkt: «No.»
«Is it allowed in summer?»
«Yes.»
«So why not now?»
«Because this is Japan.»
So einfach ist es und daran könnte ich mir bei aller Liebe manchmal die Zähne ausbeissen. Aber es ist halt einfach Japan. Da braucht es nicht immer eine lange Erklärung. Wir respektieren es und ich habe gelernt manchmal einfach nicht zu fragen.
In Koyasan kann man im Tempel übernachten. Aber man hätte viel früher buchen müssen, wie so vieles in Japan, das auch die Japaner interessiert. Seis drum wir haben in der Nähe von Nima und gleich bei den Iwami Ginza Silberminen eine tolle Alternative dazu gefunden, die ich nur empfehlen kann, sollte es euch jemals nach Japan verschlagen. Man kann ganz einfach im Nebenhaus des Tempels bei der Familie, die den Tempel unterhält, übernachten. Wir haben gut gegessen, die Frau konnte einige Brocken Englisch und die Silberminen sind definitiv einen Besuch wert.
Allerdings Vorsicht, denn nicht all zu viele Zugverbindungen führen hierher. Die Züge sind zudem eher langsam, aber die Reise ist sehr schön. Ausländer bezahlen zudem nur die Hälfte des Eintrittpreises. Das hat mich erst stutzig gemacht. Da allerdings nur ein Teil der Ausstellungen auf Englisch übersetzt ist, macht das zumindest ein bisschen Sinn. Vielleicht wollen sie es aber auch etwas mehr bei ausländischen Touristen promoten, denn der Nachteil der japanischen Touristen ist, dass sie am Wochenende in Scharen auftauchen, jedoch unter der Woche überall leere Zimmer und Sehenswürdigkeiten hinterlassen. Leider konnte mir niemand diese Frage beantworten, also bleibt es bei der Vermutung.
Abgesehen davon konnten wir das Haus der reichsten Familie vor Ort anschauen gehen. Ein Händler, das Sinnbild eines Kapitalisten. Die Familie leistete keine Arbeit in der Mine, vermehrte allerdings durch die Arbeit der anderen ihr Kapital um ein vielfaches. Das Resultat lässt sich sehen. Kleidung und Geschirr vom Feinsten sind ausgestellt.
Es gibt mehrere Gärten. Der Kleinste davon ist 1 m2 gross.
Es gibt eine hauseigene Sakebrauerei.
Eine Japanerin mit relativ guten Englischkenntnissen erklärt mir einige Details und ist sehr erfreut, als ich die Dekoration mit den Blumen in den Räumen bewundere. Sie hat sie selber gepflückt und liebevoll, mit der typisch japanischen Perfektion arrangiert. Diese Perfektion ist inspirierend. In so kleinen Dingen kann so viel Schönheit ausgedrückt werden. Wahrlich faszinierend.
Zum Abschluss gibt es noch Tee und Süsskartoffeln, die in der Originalküche zubereitet werden und das ist auch gut so, denn wir sind durchgeforen. Wie alle alten japanischen Häuser, ist von Isolation nichts zu spüren und da wir die Schuhe auf dem Tatamiboden selbstverständlich nicht tragen dürfen, sind meine Füsse durchgefroren. Ich freue mich auf mein Bett und die Trinkflasche, die man auch als Wärmeflasche verwenden kann.
Davor geht es allerdings noch zum Meer. Unsere Gastgeberin holt uns nämlich mit dem Auto ab, fährt allerdings nicht zum Tempel zurück, sondern zum Meer, das man vom Tempel aus sehen kann. Wir sind gerade rechtzeitig da, um den Sonnenuntergang zu sehen. Im Sand stecken zwei Flaggen. Singing Sand. Erklärt sie und wir lernen wie man mit den Schuhen darüber gleiten muss, damit der Sand Musik macht. Der einzige Ort auf der Welt. Sagt sie uns stolz. Weil der Sand da so fein ist. Oder vielleicht auch das einzige Land auf der Welt, das eine Markierung dafür erfunden hat.
Seis drum. Nico fragt ob es ok ist, dass er die Schuhe auszieht und ins Meer läuft. Sie hat nichts dagegen. Ich ahne aber schon etwas und lasse es selber bleiben. Denn erstens kommen wir in japanischer Manier nur für ein paar Minuten ans Meer, danach haben wir das ja gesehen und können zurückfahren und zweitens ist da ja dieses Ding mit der strikten Trennung von Boden im Haus und draussen.

Und die guten alten Waschbären, die sowohl vor Tempeln mit ihren dicken Bäuchen und Sakeflaschen posieren, wie auch als “Gartenzwerge” dienen.
Da Nico das natürlich auch weiss, wäscht er sich noch draussen die Füsse. Schuppt sie dann nochmals. Doch das ist nicht genug. Unsere nette Gastgeberin zwingt ihn sozusagen bevor seine unreinen Füsse noch irgendetwas berühren können ein Bad zu nehmen. Es gibt kein Wenn und Aber. Kein Sinn oder Unsinn. Because its Japan.