Mülltrennung

Fast beladen. In der Mitte ist der Lift, um die Eisenbahnwagen und LKWs auf die obere Etage zu heben. Der LKW auf dem Bild hatte den halben Nachmittag den Lift blockiert. Im Hintergrund Poti.

Wir sind tatsächlich noch in jener Nacht losgefahren. Ich lag schon in meiner Kajüte (nach einem Schlummertrunk von unseren Armenischen Nachbarn), als das Schiff verdächtig wackelte. Sogleich habe ich mich angezogen und lief auf Deck. Wir verliessen Poti. Es war kaum zu glauben. Ich jubelte innerlich. Zwei Tage auf See. Hoffentlich zwei, doch waren diese Zeitangaben erfahrungsgemäss eher grobe Richtlinien. Ich war also gespannt.

Letzte Eindrücke von Poti. Kran und Vollmond.

Die See war allerdings ruhig und der nächste Morgen begrüsste uns heiter. Nichts als Wasser war zu sehen und ausser Essen, Lesen, Schreiben und Musik hören blieb nicht viel. Beobachten und ins Meer hinein schauen war eine weitere Beschäftigung. Hin und wieder waren Delphine zu sehen, die uns jeweils ein Weilchen begleiteten und in sehr regelmässigen Abständen schwammen Plastikstücke vorbei. Flaschen, Säcke, was auch immer nich zum Meeresgrund abtauchte. Zum Glück war unser Schiff da besser. Unter Androhung einer Strafe von 50 Dollar wurde verboten irgendetwas ins Meer zu werfen. Sie hatten gar Tonnen, die Essensabfälle von Plastik und anderem Müll trennten. Ich war positiv überrascht.

Mülltonnen auf dem Schiff.

Irgendwann nachmittags packten wir dann selber unseren Georgischen Wein aus, denn weit wollte ich den nicht mehr tragen. Das Gepäck war bereits von den Geschenken meiner Georgischen Freunde so weit angeschwollen, dass ich es kaum zu heben vermochte. Also tranken wir fröhlich, worauf hin die drei Australier bald ins Bett verschwanden. Wenn alles gut lief, dann war das meine letzte Nacht auf dem Schiff. Das musste ich noch nutzen. Ich lehrte Georg aus Georgien kennen, der einen georgischen Laster in alle Welt hinaus fuhr. Er hatte aber eigentlich in Moskau Architektur studiert. Nur gab es keinen richtigen Job als Architekt für ihn in Georgien. Er gab sich nicht unzufrieden und lächelte lieb. Seine Tochter hiess auch Mariane und als ich. Nachdem ich ja bereits eine Flasche Wein geleert hatte, den Wein nur in langsamen Schlücken trank, gebot er den anderen Einhalt, als sie mich dazu anhalten wollten, dass ich mehr und schneller trank. Er hatte hier das Sagen und so lange er in der Nähe war, blieb es sicher für mich. Später begannen die verschiedenen Nationen auf dem Schiff Lieder aus ihrer Heimat zu singen. Zum Teil schön, zum Teil wildes Gegröle.

Unsere Begleiter, die Delphine. Leider habe ich sie nie erwischt, als sie aus dem Wasser gesprungen sind, obwohl ich sehr lange gelauert habe.

Etwas später gesellte sich noch der erste Maat (oder was genau seine Funktion auf dem Schiff war) hinzu. Er hatte sich eben eine Nikon gekauft und holte sich bei mir immer mal wieder Tipps zum Fotografieren ein. Sein Englisch war relativ gut. Wir unterhielten uns, während die Lastwagenfahrer nebenan zu raufen begannen und trotz Rauchverbot – wegen der brennbaren Fracht – wie Schlote qualmten. Er meinte, dass Frauen dafür da sind Mütter zu sein, obwohl er eigentlich aufgeschlossen war. Darauf hin entspann sich eine interessante Diskussion. Denn eigentlich suchte er für sich genau eine Frau, die eine gute Ausbildung hatte, vielleicht eine Künstlerin war und mit ihm die Welt bereisen würde. Er wollte irgendwann in London studieren und sich ein Haus kaufen in Odessa. Er verdiente im Vergleich zu den meisten auf diesem Schiff sehr gut und war belesen. „Der Kahn hier ist nichts.“ Meinte er abschätzig. Muss in Odessa wieder in Reparatur und ich würde besser fliegen, wenn es mir wirklich um die Umwelt ging. Allerdings musste er zustimmen, dass dieses Schiff definitiv nicht wegen der Passagiere fuhr. Es war eine Lastwagenfähre.

Details vom Schiff aus.

Später. Es muss gegen zwei Uhr morgens gewesen sein, genoss ich die Ruhe. Alleine blickte ich zum Vollmond hoch und beobachtete das Feuerwerk, das seine Reflektionen auf dem Wasser boten. Dazu dudelte vom neusten The National Album – Truble will find me – „This time is the last time“ aus meinen Kopfhörern, als plötzlich ein behandschuhter Mann übers Deck wandelte. Er sah mittelmässig vertrauenserregend aus, bemerkte mich jedoch gar nicht, sondern steuerte direkt auf die Mülltonnen zu, hob den Deckel auf, griff hinein und begann Flasche um Flasche, Sack und Essensresten, alles direkt ins Meer hinaus zu werfen. Wut begann in mir zu brodeln und Enttäuschung. Ich machte mich bemerkbar. Nun sah er mich, doch schien ihn das nicht im geringsten zu stören. Es handelte sich wohl um einen Befehl von oben. Ich hatte nicht den Mut ihm die Leviten zu lesen, zumal die Ursache wohl auch nicht bei ihm zu suchen ist. Eigentlich wollte ich den ersten Maat danach fragen, doch sah ich ihn erst kurz vor dem Anlegen wieder und er war beschäftigt. Warum tun sie das? Ist es Unwissenheit? Geht es ums Geld? Zu gerne würde ich das wissen, denn dann kann man etwas dagegen unternehmen, auf der richtigen Stufe ansetzen mit der Reklamation.

Land in Sicht! Und Sonnenaufgang des zweiten Tages auf dem Schiff.

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